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Änderung des Transsexuellengesetzes

Änderung des Transsexuellengesetzes

Irmingard Schewe-Gerigk (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Das geltende Transsexuellengesetz ist fast 30 Jahre alt und entspricht nicht dem Stand der Wissenschaft. Es stellt für die Änderung der Vornamen und die Feststellung der Geschlechtszugehörigkeit unbegründete Hürden auf, die die Würde und die Selbstbestimmung von transsexuellen Menschen beeinträchtigen. Bereits fünfmal hat das Bun­desverfassungsgericht einzelne Vorschriften des Gesetzes für verfassungswidrig erklärt Auch weitere Vorschriften des TSG sind verfassungsrechtlich in der Kritik.

Im Februar dieses Jahres kam aus dem Bundesinnen­ministerium der Entwurf für ein Transsexuellenrechtsre­formgesetz. In der Begründung hieß es:

Das Transsexuellengesetz ist seit seinem Inkrafttre­ten am 1. Januar 1981 nicht reformiert worden. Viele Regelungen entsprechen nicht mehr dem heu­tigen Kenntnisstand. Auch verschiedene Eingaben an den Petitionsausschuss des Deutschen Bundes­tages in den vergangenen Jahren zeigen, dass ein großes Bedürfnis für eine Reform des Transsexuel­lengesetzes besteht. Aufbauend auf den Anregungen der politischen Parteien im Deutschen Bundestag, von Verbänden der Betroffenen, wissenschaftlichen Veröffentlichungen zu diesem Thema und vorliegen­den Beschlüssen des Bundesverfassungsgerichts sieht der Gesetzwurf eine umfassende Reform des Transsexuellenrechts vor.

Leider hat der Entwurf nicht gehalten, was er verspro­chen hat. Angesichts der massiven Kritik der Interessen­verbände sowie von Expertinnen und Experten wurde die­ser völlig verfehlte Reformversuch zurückgezogen. Anstatt aber die Kritik positiv aufzugreifen und den Ent­wurf anzureichern, legt die Große Koalition nun nur ein kleines Änderungsgesetz vor, das lediglich der Vorgabe des Bundesverfassungsgerichts, nach der das Erfordernis der Ehelosigkeit nach § 8 Abs. 1 Nr. 2 TSG mit den Grundrechten unvereinbar ist, Rechnung trägt. Sie brauchten also ein ganzes Jahr, um eine einzige Vor­schrift vom TSG zu streichen. Weitere Reformschritte werden hingegen auf die nächste Legislaturperiode ver­schoben. Wieder wird eine Chance vergeben, das Trans­sexuellengesetz insgesamt zu novellieren.

Nur am Rande möchte ich betonen, dass dieser Vor­schlag in der Realität nichts ändert. Der § 8 Abs. 1 Nr. 2 TSG wird schon aufgrund des Urteils des Bundesverfas­sungsgerichts nicht angewandt. Dies zeigt jedoch, wie viel Ignoranz in der Großen Koalition steckt, wie wenig die Belange und das Selbstbestimmungsrecht der trans­sexuellen Menschen für sie bedeuten, und schließlich, wie wenig reformfähig die beiden Regierungsparteien in den Fragen der Gesellschaftspolitik sind.

Deshalb hat sich die Bundestagsfraktion Bündnis 90/ Die Grünen dafür entschieden, den Entwurf eines Geset­zes über die Änderung der Vornamen und die Feststellung der Geschlechtszugehörigkeit, ÄVFGG, in den Deutschen Bundestag einzubringen. Damit sollen die Grundrechte Transsexueller in vollem Umfang verwirklicht werden, indem die tatsächliche Vielfalt von Identitäten akzeptiert wird, anstatt transsexuelle Menschen in vorgegebene Raster zu pressen und ihnen das Leben damit zu erschwe­ren.

Deshalb wollen wir das Verfahren für die Änderung der Vornamen deutlich vereinfachen und nur vom Ge­schlechtsempfinden des Antragstellers abhängig machen. Es wird nunmehr auf die bisher geforderte mindestens dreijährige Dauer des Zwangs des Zugehörigkeitsemp­findens zum anderen Geschlecht sowie auf den irreversib­len Charakter dieses Empfindens verzichtet. Die Trans­sexualität kann nicht diagnostiziert werden; lediglich der Antragsteller selbst kann letztlich über seine geschlecht­liche Identität Auskunft geben. Außerdem tastet eine Überprüfung des Ergebnisses des Sich-selbst-Begreifens von Staats wegen den Sexualbereich des Menschen an, den das Grundgesetz als Teil der Privatsphäre unter den verfassungsrechtlichen Schutz stellt.

Es wird weiter auf die Anrufung eines Gerichts ver­zichtet. Der Antrag ist bei den nach jeweiligem Landes­recht für das Personenstandswesen zuständigen Behör­den zu stellen, sodass die Vornamensänderung im Rahmen eines Verwaltungsaktes erfolgt.

Auch das Verfahren zur Feststellung der Geschlechts­zugehörigkeit soll vereinfacht und beschleunigt werden. Es wird auf die verfassungsrechtlich unhaltbare Voraus­setzung einer dauernden Fortpflanzungsunfähigkeit ver­zichtet. Ebenso wird die Personenstandsänderung nicht mehr von der deutlichen operativen Annäherung an das Erscheinungsbild des anderen Geschlechts abhängig ge­macht. Diese Kategorie ist nicht zeitgemäß und lässt sich in einer individualistischen Gesellschaft mit pluralisti­schen Lebensformen nicht definieren. Damit sind das subjektive, mit den bisherigen Angaben nicht überein­stimmende Geschlechtsempfinden des Antragstellers sowie die auch heute geltenden statusrechtlichen Zu­gangsvoraussetzungen einzige Bedingungen für eine Per­sonenstandänderung.

Der Deutsche Bundestag hat vor 30 Jahren ein Gesetz vorbereitet, mit dem das Bundesverfassungsgericht sich schon mehrmals befassen musste. Lassen Sie uns deshalb diesmal ein Gesetz verabschieden, das die Grundrechte der transsexuellen Menschen respektiert und keine An­haltspunkte für die Notwendigkeit einer weiteren verfas­sungsrechtlichen Überprüfung gibt.



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