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Irmingard Schewe-Gerigk (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Ich freue mich, dass wir uns am Ende dieser Legislaturperiode noch einmal mit dem Thema Gleichstellung in der Privatwirtschaft beschäftigen. Denn das ist leider bitter nötig. Deutschland ist unter dieser Regierung in Sachen Gleichstellung der Geschlechter weiter zurückgefallen. Wir haben es schon öfter hier erörtert: Wir haben einen beschämend hohen Unterschied zwischen den Gehältern von Frauen und Männern, mit 23 Prozent sind wir nahezu europäisches Schlusslicht. Der Anteil von Frauen an den sogenannten geringfügig Beschäftigten liegt bei über 65 Prozent, der Anteil von Frauen am Niedriglohnsektor bei fast 70 Prozent, der Anteil von Frauen an den Teilzeitbeschäftigten bei 83 Prozent – und zwar nicht, weil sie das so wählen, sondern weil sie Familie und Beruf vereinbaren müssen. Das Armutsrisiko von Alleinerziehenden ist mit 36 Prozent doppelt so hoch wie im Durchschnitt aller Haushalte. Und: Arme Alleinerziehende sind zu 95 Prozent Frauen. Bei den Führungskräften tut sich nichts, Männer unter sich. Ebenso bei den Aufsichtsräten. Diese Zahlen sind bekannt, sie werden vom Statistischen Bundesamt, von den Forschungsinstituten, vom Frauenministerium veröffentlicht.
Die letzten vier Jahre waren vier verlorene Jahre für die Frauenpolitik. Vom Frauenministerium werden die Bilanzen zur Vereinbarung zwischen Bundesregierung und Wirtschaft zur Förderung der Chancengleichheit in der Privatwirtschaft herausgegeben. Deren Ergebnisse lassen sich zusammenfassen als heiße Luft: viele Absichtserklärungen, viele Prüfaufträge, durchaus interessante Einzelinitiativen. Aber gucken wir doch genau hin: Ausdrücklich war vereinbart worden, den Anteil von Frauen in Führungspositionen zu erhöhen. Das DIW hat es gerade letzten Monat wieder veröffentlicht: Es gibt keine signifikanten Ergebnisse. 2007 ging der Frauenanteil sogar wieder zurück. Die Vereinbarung ist komplett gescheitert. Die meisten Betriebe kennen sie nicht einmal.
Sind Krisenzeiten die richtigen Zeiten für Gleichstellung? Ich meine: ja. Denn um ein abgegriffenes Bonmot zu verwenden: In jeder Krise steckt auch eine Chance. Wir müssen die Gelegenheit nutzen, verkrustete Strukturen aufzubrechen und die Gleichstellung voranzubringen. Wir brauchen grundlegende Veränderungen bei den Personalstrukturen.
Die Erfahrungen der letzten Jahre zeigen: Ohne gesetzliche Regelungen wird es nicht gehen. Da bin ich ganz einer Meinung mit den Kolleginnen und Kollegen der Linksfraktion. Meine Fraktion hat ja auch entsprechende Anträge eingebracht. Wir brauchen differenzierte Daten zur Beschäftigtenstruktur. Ich begrüße, dass die Betriebe in zwei Jahren selbst Maßnahmen innerhalb konkreter Handlungsfelder entwickeln sollen. Die Vergabe öffentlicher Aufträge an Gleichstellungsmaßnahmen zu knüpfen hat meine Fraktion bereits mehrfach beantragt, ebenso wie die Einführung eines Verbandsklagerechts. Ich freue mich, dass die Linke diese Grünen Forderungen inzwischen übernommen hat.
Aber lassen Sie mich auch noch ein paar Sätze zu den Forderungen sagen, die wir nicht teilen:
Zunächst. Das Gesetz soll für alle Betriebe ab fünf Beschäftigte gelten. Ich denke, das ist zum einen unrealistisch, zum anderen aber auch nicht zielführend. Ein Betrieb mit fünf Beschäftigten, eine Arztpraxis, ein Friseursalon – die sollen alle Berichte schreiben und Maßnahmen prüfen und umsetzen?
Auch die starke Stellung des Betriebsrats ist aus meiner Sicht übertrieben. Er soll ein Initiativrecht, ein Mitbestimmungsrecht, ein Auswahlrecht erhalten.
Ebenso ist die Idee, dass Unternehmen ab 20 Beschäftigte eine beratende Koordinationsstelle zur Gleichstellung einrichten, ziemlich weltfern. Damit würde in der Konsequenz eine unspezifizierte Struktur errichtet, mit keinen Kompetenzen, keinem Budget. Wovon sie finanziert werden soll, lässt die Linke in ihrer üblichen Art offen.
Daher mein Fazit: Ja, wir brauchen ein Gleichstellungsgesetz für die Privatwirtschaft. Große Teile Ihres Vorschlags begrüße und unterstütze ich, aber es gibt deutliche Schwächen im Detail.
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