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Rede zu Gewalt an Frauen und Mädchen mit Behinderungen

Gewalt an Frauen und Mädchen mit Behinderungen

Irmingard Schewe-Gerigk (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): In Zeiten des Wahlkampfes kommen zuweilen Themen auf die Tagesordnung, die ansonsten nur von der Opposition getragen werden. So freut es mich zum einen, dass die Bundesregierung sich aktuell einer Gruppe von Menschen annimmt, die Mehrfachdiskriminierung ausgesetzt ist und trotzdem viel zu wenig Unterstützung erhält: Mädchen und Frauen mit Behinderungen werden in unserer Gesellschaft strukturell diskriminiert und sind einer erhöhten Gefahr ausgesetzt, Opfer von sexualisierter Gewalt zu werden. Zum anderen befürchte ich, dass dieses Engagement so schnell gehen wird, wie es auch gekommen ist. Seit 2007 werden die Gelder für eine Studie zum Ausmaß und Umfang von Gewalt gegen Frauen und Mädchen mit Behinderungen in der Haushaltsplanung vorgesehen. Diese Studie wird dringend gebraucht, denn die Wissenslücken auf diesem Gebiet sind groß. Ich frage mich nur, wie es sein kann, dass diese erst jetzt in Auftrag gegeben werden soll - noch schnell vor der Wahl?

Die Antwort auf unsere Große Anfrage 16/9283 zeigt die großen Wissens- und Handlungslücken der Bundesregierung, fünf Jahre nach Einführung des Behindertengleichstellungsgesetzes, auf. Im Abschnitt über die Gewalterfahrungen von Frauen mit Behinderung kann die Bundesregierung nur antworten, dass sie keine repräsentativen Daten hat. Doch obwohl keine wissenschaftlichen Untersuchungen vorliegen und wir dies nicht erst seit der Beantwortung der Anfrage wissen, hat die Bundesregierung es bisher nicht geschafft, diese in Auftrag zu geben. Wir von Bündnis 90/Die Grünen wollen hier gerne unterstützen, damit Sie bei der Themensetzung für die nun endlich kommende Studie auch nichts vergessen. Zwei Themenbereiche will ich kurz hervorheben:

Unsere Große Anfrage verdeutlicht, dass die Bundesregierung keine Erkenntnisse darüber hat, ob und wie häufig von der Justiz auch heute noch bei sexualisierter Gewalt gegenüber Frauen mit Behinderungen auf den strafmildernden Paragrafen 179 StGB ("Sexueller Missbrauch widerstandsunfähiger Personen") zugegriffen wird. Die Anwendungspraxis der §§ 177 und 179 StGB muss erhoben werden, denn es darf nicht sein, dass hier ein Unterschied zwischen Frauen mit und ohne Behinderung gemacht wird. Jede Person hat den Anspruch auf körperliche Unversehrtheit. Eine Widerstandsunfähigkeit ist allein aus dem Umstand der sogenannten geistigen Behinderung nicht abzuleiten. Die Bundesregierung darf nicht zulassen, dass der sexuelle Missbrauch behinderter Menschen strafmildernd beurteilt wird.

Wir wollen auch, dass bei der Erstellung der Studie auch der Bereich der Prävention besondere Beachtung erhält. Wir wissen leider, dass die initiierten Projekte nicht zur Anwendung kommen. Frauen und Mädchen mit Behinderungen befinden sich in einer starken Abhängigkeit zu anderen Personen, werden von der Gesellschaft diskriminiert und stigmatisiert. Prävention sollte ihnen die Chance geben, neue Handlungsmöglichkeiten zu erfahren und diese in ihren Alltag einbringen zu können.

Das halbherzige Engagement der Bundesregierung zeigt sich am vorgelegten Antrag. Obwohl es dem Antrag an einer klaren Linie fehlt, wollen wir ihn unterstützen, damit hier endlich etwas passiert. Es muss aber endlich mit Nachdruck gearbeitet werden. Nehmen Sie die Anregungen aus unserer Großen Anfrage auf und machen Sie was draus!

 

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