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Schwangerschaftskonfliktgesetz

Schwangerschaftskonfliktgesetz

Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt:

Nächste Rednerin ist die Kollegin Irmingard Schewe-Gerigk.

Irmingard Schewe-Gerigk (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die heutige Debatte zum Thema späte Schwangerschaftsabbrüche zeigt, dass sich dieses Thema nicht für laute Töne eignet. Es eignet sich aber auch nicht für Unterstellungen, nicht gegenüber den Frauen, die sich seit mehr als 20 Wochen auf ihr Kind freuen und eben nicht leichtfertig und verantwortungslos einen Abbruch durchführen lassen,

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/ DIE GRÜNEN und der SPD)

aber auch nicht für Unterstellungen gegenüber den Ärztinnen und Ärzten, die die Frauen angeblich zu einer schnellen Abtreibung drängen, sobald sie bei einem Embryo eine Behinderung erkennen, und die den Frauen angeblich eine Psychose bescheinigen, um die medizinische Indikation zu rechtfertigen, während das Klinikbett schon bereitsteht.

Ein Arzt, der einen Schwangerschaftsabbruch allein wegen einer Behinderung des Embryos vornimmt, macht sich strafbar, verehrte Kollegin Griese.

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/ DIE GRÜNEN und der SPD)

Sie wissen: Es gibt auf dieser Welt kein diesbezügliches Gesetz, gegen das nicht verstoßen wird. Hier ist die Strafverfolgung gefragt. Hier helfen keine neuen Gesetze, die eine Bedenkzeit vorsehen oder die Pflicht des Arztes, auf die psychosoziale Beratung hinzuweisen, wie es in dem Gesetzentwurf von Herrn Singhammer, Renate Schmidt und anderen steht.

Im Übrigen ist die Bedenkzeit längst Realität. Zwischen dem Befund, der psychosozialen Beratung und der vorgeschriebenen Zweitdiagnose entsteht Bedenkzeit, oft mehr als drei Tage. Ich frage mich auch, woher das große Misstrauen gegenüber den Ärzten und Ärztinnen kommt. Ihnen wird unterstellt, auch in dem Gesetzentwurf, sie würden einen Abbruch allein wegen eines pathologischen fetalen Befundes vornehmen und - noch schlimmer - sie würden die Statistik fälschen, indem sie den Abbruch durch einen Fetozid als Totgeburt und nicht als Schwangerschaftsabbruch dokumentieren. Was bedeutet es eigentlich für die ärztliche Schweigepflicht, wenn eine Pflicht zur Dokumentation von Inhalt und Umfang des Gesprächs sowie eine Offenlegung aller Daten vor einer noch zu bestimmenden Behörde unter Bußgeldandrohung beschlossen wird?

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/ DIE GRÜNEN, der SPD und der LINKEN)

Nein, liebe Kolleginnen und Kollegen, diese Maßnahmen belasten die Frauen zusätzlich in ihrer schwierigen Situation, statt ihnen zu helfen, und sie zerstören das ärztliche Vertrauensverhältnis.

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/ DIE GRÜNEN, der SPD und der LINKEN)

Nun wird vorgetragen, bei einem Abbruch vor der zwölften Woche gebe es doch auch eine Pflichtberatung, und das wolle man, was logisch sei, nur ausweiten. Wer so argumentiert, verkennt, dass in den ersten zwölf Wochen die Entscheidung über einen Abbruch allein bei der Frau liegt. Da geht es um das Selbstbestimmungsrecht. Die medizinische Indikation hingegen ist daran gebunden, dass das Leben der Mutter aus medizinischen oder psychosozialen Gründen gefährdet ist, und das ist nun wirklich keine Frage der Beratung.

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/ DIE GRÜNEN, der SPD und der LINKEN)

Daher widerspricht die Beratungspflicht geradezu den Vorgaben für eine medizinische Indikation, über die in vielen Kliniken im Übrigen Ethikkommissionen entscheiden, manchmal auch gegen Entscheidungen, die vorgelegt worden sind.

Den Vorwurf, dass Kindern mit Behinderung das Lebensrecht abgesprochen wird, kann ich nicht teilen; denn viele Kinder wären außerhalb des Mutterleibes nicht lebensfähig; Frau Humme hat vorhin darauf hingewiesen. Laut einer Befragung von zwei Unikliniken trifft das auf 80 Prozent dieser Fälle zu.

Ich sehe bei der medizinischen Indikation keinen gesetzlichen Handlungsbedarf. Im Gendiagnostikgesetz, das die Grünen vor zwei Jahren vorgelegt haben, sind Beratungen vor und nach der pränatalen Diagnostik vorgesehen. Es ist notwendig, die Qualität der Beratung zu verbessern. Die Schwangeren haben schon heute einen Rechtsanspruch auf psychosoziale Beratung. Das muss deutlicher verankert werden. Das kann aber im Rahmen der Mutterschutzrichtlinien geschehen, wie es im Antrag von Christel Humme und anderen vorgesehen ist. Ich werbe um Zustimmung für diesen Antrag.

Ich komme zum Schluss. Der Schwangerschaftsabbruch ist, wenn es sich um ein Wunschkind handelt, zumal so spät, für jede Frau ein qualvoller Schritt. Das macht keine Frau leichtfertig. Diese Frauen haben während und nach der Entscheidung unseren Respekt verdient, genauso wie diejenigen, die sich für eine Fortsetzung der Schwangerschaft entscheiden. Diesen Respekt vermisse ich im Antrag der CDU/CSU.

Vielen Dank.

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/ DIE GRÜNEN, der SPD und der LINKEN)

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