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Rentenanpassung 2008

Irmingard Schewe-Gerigk

 

8. Mai 2008

Rentenanpassung 2008

 

Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse:

 

Das Wort hat nun Kollegin Irmingard Schewe-Gerigk, Fraktion Bündnis 90/Die Grünen.

 

Irmingard Schewe-Gerigk (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

 

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Zweifellos, es stimmt: Es gibt viele Rentnerinnen und Rentner, die durch die Politik der Bundesregierung an den Rand ihrer Existenz gebracht wurden, nämlich die mit den kleinen Renten.

 

(Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Welcher Bundesregierung, Frau Schewe-Gerigk?)

 

- Der jetzigen.

 

Die Ursachen liegen auf der Hand: die Mehrwertsteuererhöhung, die Erhöhung der Pflegeversicherungsbeiträge, die überzogene Erhöhung der Beiträge zur Rentenversicherung, die Halbierung der Beiträge für Langzeitarbeitslose und die Förderung von Betriebsrenten zulasten der heutigen Rentnerinnen und Rentner.

 

Jetzt stehen Sie, meine Damen und Herren von der Großen Koalition, vor dem Scherbenhaufen Ihrer Politik; aber statt zu kitten, zerschlagen Sie neues Porzellan. Sie versprechen den Rentnern und Rentnerinnen nämlich Wahlgeschenke, die vergiftet sind; denn sie müssen diese Wahlgeschenke in den Jahren 2012 und 2013 selbst bezahlen. Bestellt wird heute, bezahlt wird später; der Kollege Kolb hat es gerade schon gesagt.

 

Aber auch die künftigen Rentnergenerationen müssen diese Suppe auslöffeln; denn die wirklich Leidtragenden der Politik, die Sie hier betreiben, sind die heute 50- bis 60-Jährigen. Über 11 Milliarden Euro kostet Ihr Vorhaben bis zum Jahre 2030. Wenn Sie, Herr Weiß, sagen, das seien kleine Summen, dann verstehe ich die Welt nicht mehr.

 

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

 

Die junge Generation ist zu Recht in Sorge, dass die Rentenpolitik zukünftig von Wahlterminen abhängig gemacht wird. Das ist keine verlässliche Politik, das ist Politik nach Gutsherrenart. Zwar haben Sie im Ausschuss versprochen, dies sei ein einmaliger Eingriff in die Rentenformel; aber glauben Sie das wirklich selbst? Wenn das Wahljahr 2013 ansteht und der Rentenwert 20 Cent niedriger als der heutige ist - dies wurde in der Sachverständigenanhörung gesagt -, glauben Sie, dass Sie dann nichts machen werden? Ich glaube das nicht! Für wie blöd halten Sie eigentlich die Leute?

 

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

 

Da wir gerade bei den Wahlen sind: Jeder sieht, dass die Situation im Jahre 2008 wirklich problematisch ist. Warum Sie aber zusätzlich schon jetzt die Renten für das Jahr 2009 erhöhen, obwohl Ihnen alle Experten sagen, dass die Rentensteigerung 2009 sehr viel höher sein wird, das ist doch mehr als durchsichtig. Herr Kollege Brandner, wenn Sie in Ihrer Rede mit Bezug auf die Aussetzung der Riester-Treppe dreimal Goethe zitieren, dann spricht das für sich.

 

Auch wir sehen Handlungsbedarf, gerade bei Menschen mit kleinem Einkommen. Ich finde, diese Menschen dürfen für die Versäumnisse dieser Bundesregierung nicht bestraft werden. Denn es stimmt: Wer ein kleines Einkommen hat, hat große Schwierigkeiten, die anstehenden Erhöhungen des Beitrags zur Pflegeversicherung, die Kostensteigerungen bei den Lebensmitteln, den Energiepreisen und den Gütern des täglichen Bedarfs zu verkraften. Deshalb haben wir Ihnen einen Entschließungsantrag vorgelegt, in dem Akzente gesetzt werden, die deutlich anders sind als die der Bundesregierung. Es wird bei denjenigen angesetzt, die besonders schutzbedürftig sind.

 

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

 

Sie hingegen heben kleine und große Renten gleichermaßen an.

 

Erstens. Wir fordern die Bundesregierung auf, die Grundsicherung im Alter endlich auf 420 Euro anzuheben; denn der heutige Regelsatz deckt schon lange nicht mehr das soziokulturelle Existenzminimum. Darauf haben Sozialexperten und Wohlfahrtsverbände mehrfach hingewiesen.

 

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

 

Zweitens. Wir wollen, dass die Halbierung des Rentenversicherungsbeitrags für Langzeitarbeitslose so schnell wie möglich zurückgenommen wird. 2,19 Euro Rente im Monat nach einem Jahr Arbeitslosigkeit, das ist ein Hohn. Diese unsoziale Entscheidung hat die Große Koalition bereits im Koalitionsvertrag festgelegt und bis heute nicht zurückgenommen - trotz guter Konjunktur und sprudelnder Steuereinnahmen.

 

Drittens. Wir wollen nicht, dass die Rentner und Rentnerinnen durch die sozialabgaben- und steuerfreie Förderung der Betriebsrenten benachteiligt werden. Dieses Instrument ist als Anreiz für den Abschluss von mehr Betriebsrenten eingeführt worden. Dass dadurch jetzt automatisch die Renten gekürzt werden, das war nie das Ziel. Deshalb fordern wir, dass dieser Kürzungsmechanismus bei der Festlegung des aktuellen Rentenwerts herausgerechnet wird, wie Sie es im Übrigen auch bei den 1-Euro-Jobs gemacht haben. Wir fordern Sie auf, hier ebenso vorzugehen. Was können die Rentnerinnen und Rentner dafür, dass wir Betriebsrenten besonders fördern? Das ist ja gerade so, als würden Sie den einen etwas wegnehmen und es den anderen geben und denen, die am wenigsten haben, am meisten wegnehmen.

 

Die Bundeskanzlerin hat Anfang April zugegeben, die Rentenerhöhung sei ordnungspolitisch keine Meisterleistung. Wäre sie selbstkritischer gewesen, dann hätte sie eingestehen müssen: Die Probleme der niedrigen Rentenanpassung sind hausgemacht und die unmittelbare Folge von politischen Fehlentscheidungen dieser Großen Koalition.

 

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

 

Statt die Ursachen zu beseitigen, hat sich die Kanzlerin für eine Politik entschieden, deren Verantwortung mit dem Bundestagswahltermin endet.

 

Ihnen, meine Damen und Herren von den Koalitionsfraktionen, ist es offenkundig egal, dass die Versicherten 2011 und 2012 auf Beitragssenkungen vergeblich warten müssen. Es macht Ihnen offensichtlich auch nichts aus, dass die Rentnerinnen und Rentner in den Jahren 2012 und 2013 Ihre vermeintlichen Geschenke wieder zurückgeben müssen und dann erst recht keine Rentenerhöhungen erwarten können. Das ist keine nachhaltige Politik. Das ist Wählerverdummung. Deshalb lehnen wir Ihren Gesetzentwurf ab.

 

Ein letzter Satz, Herr Präsident: Zum Antrag der Linken, der ja gestern erst eingegangen ist, muss man ja auch noch etwas sagen. Die Erhöhung der Rente um 4 Prozent und die Abschaffung aller Dämpfungsfaktoren würde 17 Milliarden Euro kosten. Das ist gerade so, als würden wir hier im Bundestag den Beschluss fassen, dass die demografische Entwicklung nicht stattfindet; wir die Nachhaltigkeit im Rentensystem, die uns die OECD bescheinigt hat, nicht benötigten, also ein Beschluss von uns ausreichte, um dafür zu sorgen, dass all das auch so eintritt.

 

(Daniel Bahr [Münster] [FDP]: Ich mache mir die Welt so, wie sie mir gefällt! Pippi-Langstrumpf-Prinzip!)

 

Ich finde, das ist unglaubwürdig. Deshalb lehnen wir Ihre Vorschläge ab.

 

(Zuruf von der SPD: Gott sei Dank!)

 

Vielen Dank.

 

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)



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