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Anfechtung der Vaterschaft

Irmingard Schewe-Gerigk

 

21. Februar 2008

Anfechtung der Vaterschaft

 

Vizepräsidentin Petra Pau:

 

Das Wort hat die Kollegin Irmingard Schewe-Gerigk für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen.

 

Irmingard Schewe-Gerigk (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

 

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Mit dem heute vorliegenden Gesetzentwurf sollen Väter künftig die erleichterte Möglichkeit erhalten, legal klären zu können, ob sie der biologische Vater eines Kindes sind, ohne die Vaterschaft zugleich rechtlich anfechten zu müssen. Das unterstützen wir grundsätzlich. Schon unter Rot-Grün, Herr Gehb, hat eine Beratung über ein solches Verfahren stattgefunden.

 

Mit dieser Regelung soll auch den heimlichen Vaterschaftstests Einhalt geboten werden. Als Bürgerrechtspartei haben sich die Grünen von Anfang an gegen heimliche Vaterschaftstests ausgesprochen.

 

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

 

Unterstützt wurden wir in dieser Auffassung vom Bundesverfassungsgericht. Es entschied nämlich, dass heimliche Tests gerichtlich nicht verwertet werden dürfen, weil das das Recht auf informationelle Selbstbestimmung des Kindes verletzen würde.

 

(Zuruf von der CDU/CSU: Das ist etwas anderes als ein Verbot!)

 

Stattdessen forderte das Bundesverfassungsgericht ein vereinfachtes Verfahren zur Klärung der Vaterschaft.

 

Ein entsprechender Gesetzentwurf liegt jetzt vor, aber es ist ein Gesetzentwurf mit Schieflage: zugunsten der Väter - Sie haben ja schon gejubelt -, aber zulasten der Kinder. Ich frage mich, woher dieses große Misstrauen vieler Männer gegenüber der Mutter des gemeinsamen Kindes kommt, wenn es um die Frage ihrer biologischen Vaterschaft geht. Bei über 80 Prozent der circa 20 000 Tests steht fest, dass es sich bei dem Zweifler um den bio-logischen Vater handelt. Ich frage Sie: Ist es Zufall, dass die Zweifel meist im Vorfeld von Scheidungen auftauchen? Ist es Zufall, dass die Frage der Vaterschaft zur materiellen Frage des Unterhalts degradiert wird? - Ich glaube, nicht.

 

(Dr. Jürgen Gehb [CDU/CSU]: Wenn das so leicht ist, können die Frauen doch einfach zustimmen!)

 

Es ist gut, dass die Koalition dem Petitum der Sachverständigen Rechnung getragen hat, die Anfechtungsfrist nach der Vaterschaftsklärung nicht neu beginnen zu lassen. Man muss doch keine Hellseherin sein, um schon jetzt sagen zu können: Auch das neue Verfahren zur Klärung der Vaterschaft wird meist genutzt werden, wenn eine Beziehungskrise besteht. Diese Krise wird dann auf dem Rücken des Kindes ausgetragen. Denn das neue Verfahren stellt es - ohne irgendwelche Hürden - nahezu in das Belieben des rechtlichen Vaters, sich jederzeit von dem Kind - auch nach einem längeren Zusammenleben - und den Unterhaltsansprüchen zu lösen, es sei denn, die Mutter kann beweisen, dass der rechtliche Vater schon vorher Grund zum Zweifel hatte. Dann wäre die Anfechtungsfrist von zwei Jahren in der Regel verstrichen.

 

Aus diesem Grunde hat das Bundesverfassungsgericht dem Gesetzgeber nahegelegt, ein Gegengewicht zu dieser erleichterten Kenntnisverschaffung herzustellen. So sollte es unter besonderen Bedingungen nicht gleich zu einer Beendigung der rechtlichen Vaterschaft kommen, wenn dadurch das Kindeswohl erheblich beeinträchtigt wäre. Eine Kinderschutzklausel im Anfechtungsverfahren wäre also ein geeignetes Mittel.

 

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg. Jörn Wunderlich [DIE LINKE])

 

Diese hat die Koalition aber aus dem ursprünglichen Gesetzentwurf gestrichen.

 

Nun wenden Sie ein, dass das Kindeswohl bereits im Klärungsverfahren geprüft wird. Was ist eigentlich mit den Fällen - Herr Wunderlich hat gerade etwas dazu gesagt -, in denen die Mutter unter dem Druck eines formalen Klärungsverfahrens, das jetzt besteht, dazu gebracht wird, einer einvernehmlichen Klärung zuzustimmen?

 

(Daniela Raab [CDU/CSU]: Ja, was ist dann?)

 

Im anschließenden Anfechtungsverfahren spielt das Kindeswohl dann keine Rolle mehr.

 

(Daniela Raab [CDU/CSU]: Das stimmt doch nicht!)

 

Da sagen Sie: Die Gerichte werden es schon richten. Ich finde, es ist besser, man hat klare Gesetze.

 

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN)

 

Wir werden durch dieses Gesetz nicht alle heimlichen Tests verhindern können. Darum ist es umso wichtiger, dass die Labore in die Verantwortung genommen werden. Bisher untersuchen viele auch die illegal gewonnenen Gewebeproben. Ich finde, das ist nicht hinnehmbar.

 

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

 

Darum fordern wir Grünen in einem Gendiagnostikgesetz, das diesem Hause als Entwurf vorliegt, nicht nur klare Qualitätsstandards, sondern auch eine Ahndung als Straftat für die Labore - nicht für die Väter, Herr Kollege Gehb -, wenn das Einverständnis der Sorgeberechtigten nicht vorliegt. Ich wundere mich wirklich, dass jetzt gesagt wird, im BGB könne man die Qualität der Labore nicht regeln, das werde alles im Gendiagnostikgesetz geregelt. Wann legen Sie, meine Damen und Herren von der Koalition, den Entwurf eines Gendiagnostikgesetzes vor?

 

Ich komme zum Schluss. Wir unterstützen das Ziel der erleichterten Klärung der Vaterschaft. Die konkrete Ausgestaltung ist unseres Erachtens aber nicht ausreichend kindeswohlorientiert. Darum werden wir uns der Stimme enthalten.

 

Vielen Dank.

 

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)



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