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Solidarausgleich in der Rente

Irmingard Schewe-Gerigk

 

17. Januar 2008

Solidarausgleich in der Rente

 

Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt:

 

Die letzte Rednerin in dieser Debatte ist nun die Kollegin Irmingard Schewe-Gerigk für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen.

 

Irmingard Schewe-Gerigk (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

 

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir führen heute und morgen drei Rentendebatten mit sehr unterschiedlichen Titeln; aber immer wieder wird alles durcheinandergemischt. Allen ist egal, welchen Titel welche Debatte hat. Jeder redet über Riester und über irgendwelche anderen Themen.

 

Ich möchte jetzt einmal zum Antrag der Linksfraktion sprechen, in dem der Solidarausgleich in der Rente gefordert wird. Dazu kann ich nur sagen: Wie weit die gesellschaftliche Debatte über das Thema Altersarmut vorangeschritten ist, zeigt ein Blick in die Suchmaschine Google. Ich habe dort 161 000 Dokumente aus dem deutschsprachigen Raum zu diesem Thema gefunden. Mit Ausnahme der Regierungskoalition sind sich die Autorinnen und Autoren aus unterschiedlichen politischen Lagern mittlerweile darin einig, dass hier eine Zeitbombe schlummert. In den nächsten 15 bis 20 Jahren wird, wenn wir nicht gegensteuern, die Altersarmut ein Massenphänomen; darauf müssen wir politisch reagieren.

 

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

 

Das Armutsrisiko wird für künftige Rentnerinnen und Rentner steigen. Heute sind es 2,2 Prozent von ihnen, die die Grundsicherung beanspruchen. Künftig wird die Zahl ein Vielfaches davon betragen.

 

Es besteht Konsens darüber, welche Ursachen die wachsende Armut im Alter hat. Die Geister scheiden sich, wenn es um Lösungen zur Vermeidung dieser Armut geht. Wir dürfen es aber nicht zulassen, dass Armut im Alter solche Dimensionen annimmt, wie ich sie gerade angesprochen habe. Forschungsergebnisse besagen: Im Jahre 2022 werden 2 Millionen Rentner und Rentnerinnen vom Armutsrisiko betroffen sein.

 

Die Verwerfungen auf dem Arbeitsmarkt führen seit Beginn der 90er-Jahre zu gebrochenen Erwerbsbiografien und zu niedrigen Einkommen. Die Nettolöhne sind in den letzten zehn Jahren nicht gestiegen, vor allen Dingen die der Geringqualifizierten nicht. Eine Anpassung der Rentenpolitik an die veränderten Erwerbsverläufe und Familienformen ist also absolut notwendig.

 

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN)

 

Die vorhandene Grundsicherung im Alter, auf die stets verwiesen wird, ist für uns keine Lösung. Wer seine Arbeitskraft ein Leben lang zur Verfügung gestellt hat, muss ein Einkommen oberhalb der Bedürftigkeitsgrenze erhalten. Anton, ich glaube, hier sind wir uns einig.

 

(Beifall des Abg. Volker Schneider [Saarbrücken] [DIE LINKE] - Anton Schaaf [SPD]: Ja! Völlig klar!)

 

Ähnlich wie wir will die Linke eine Aufwertung der Entgelte für Menschen mit niedrigem Einkommen. Sie schlägt dazu eine Entfristung der Rente nach Mindest-entgeltpunkten vor. Allerdings war diese Rente für langjährig Beschäftigte mit mindestens 35 Beitragsjahren vorgesehen. Zumindest für viele Frauen aus den alten Bundesländern, die zu den Jahrgängen bis 1961 gehören, bietet dieses Instrument keinen Schutz vor Armut. Denn in der letzten AVID-Studie kam man zu dem Ergebnis, dass Frauen auf maximal 33 Beitragsjahre kommen. Sie hätten davon also gar nichts.

 

Meine Damen und Herren, die Linke schlägt außerdem die Wiedereinführung von rentenrechtlichen Anrechnungszeiten für die Schul- und Hochschulbildung vor. Wir finden die Wiederbelebung der vollen Anrechnungszeiten nicht sinnvoll. Damit begünstigen Sie diejenigen, die das Privileg einer langen Schul- und Hochschulbildung haben, ein weiteres Mal; das ist gerade schon vom Kollegen Schaaf gesagt worden. Bei einem umlagefinanzierten Verfahren, wie wir es haben, müssten dafür alle Versicherten höhere Beiträge entrichten, auch dann, wenn sie die Vorteile einer Hochschulausbildung nicht nutzen können.

 

Sehr aufschlussreich ist allerdings der Vorschlag der Linken, wie die Ausweitung der solidarischen Elemente in der gesetzlichen Rentenversicherung gegenfinanziert werden soll. Sie schlagen eine Anhebung und eine schrittweise Aufhebung der Beitragsbemessungsgrenze vor. Den höheren Beiträgen sollen aber keine entsprechenden Rentenleistungen folgen. Wenn Sie von der Linken irgendwann einmal in der Regierungsverantwortung wären,

 

(Paul Lehrieder [CDU/CSU]: Oh Gott! Hoffentlich kommt das nie!)

 

würden Sie sich wundern, wie schnell Sie mit dieser Position vor einem Gericht scheitern würden. Denn der Eigentumsschutz bei der Rente ist aufgrund mehrerer höchstrichterlicher Entscheidungen für das deutsche Rentenrecht prägend.

 

Sie bezeichnen diesen Schritt als Weiterentwicklung der gesetzlichen Rentenversicherung zu einer Erwerbstätigenversicherung. Auch wir wollen eine Erwerbstätigenversicherung, in die alle einzahlen. Ich habe mich aber gefragt, warum Sie den Solidarausgleich nicht über Steuern finanzieren wollen. Denn dann würden Sie nicht nur die Pflichtversicherten an der Finanzierung beteiligen, sondern auch Bevölkerungsgruppen, die nicht rentenversicherungspflichtig sind.

 

Wir können Ihrem Antrag nicht zustimmen. Es gibt einige Punkte, die in die richtige Richtung gehen; andere bedeuten aber eine Rückkehr zur alten Politik à la Blüm und Kohl.

 

(Dr. Ralf Brauksiepe [CDU/CSU]: Das ist ja eine Beleidigung! - Paul Lehrieder [CDU/ CSU]: Wie bitte? Da müssen Sie etwas verwechselt haben!)

 

Diese Punkte können wir nicht mittragen. Deshalb lehnen wir Ihren Antrag ab.

 

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)



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