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Antidiskriminierungsgesetz

Irmingard Schewe-Gerigk, Antidiskriminierungsgesetz

20. Januar 2006

Irmingard Schewe-Gerigk (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Deutschland braucht endlich ein Antidiskriminierungsgesetz, um an europäische Standards anzuschließen. Wie Sie wissen, ist die Frist für die Umsetzung der drei EU-Richtlinien mittlerweile verstrichen. Unserem Land drohen empfindliche Strafen. Darum ist zügiges Handeln gefragt. Deshalb werden wir als Grüne ein Aussitzen der großen Koalition bei diesem Konfliktpunkt ADG auch nicht hinnehmen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich freue mich über die Unterstützung der Justizministerin - heute in Person des Staatssekretärs Hartenbach - für unseren Entwurf. Wir bringen das Antidiskriminierungsgesetz erneut ein, und zwar in der Form, in der es der Bundestag im Juni 2005 bereits einmal beschlossen hat.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wir haben der Justizministerin die Arbeit schon abgenommen, wir haben die 40 Änderungsanträge nämlich schon eingearbeitet. Unsere Einbringung erfolgt also eins zu eins.

Über dieses Gesetz ist viel Irreführendes erzählt worden. Der Hamburger Justizsenator ist eigens angereist und will beim Antidiskriminierungsgesetz anscheinend für aktive Sterbehilfe sorgen. Herr Kusch, das wird Ihnen nicht gelingen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Dass das Antidiskriminierungsgesetz Gift für die Wirtschaft und für Hamburg ist, wie Sie gesagt haben, ist doch blanker Unsinn. Großbritannien, die Niederlande, Belgien, Frankreich, Schweden und Irland sind genau den Weg gegangen, den wir Ihnen jetzt vorschlagen. Ich frage Sie: Warum soll ausgerechnet die deutsche Wirtschaft ein Recht auf Diskriminierung von Behinderten, Älteren, Schwulen und Lesben erhalten? Warum? Diskriminierung schafft keine Arbeitsplätze; das müssten Sie eigentlich wissen. Diskriminierung verschwendet Potenziale. Diskriminierung ist schlecht für die Wirtschaft, schlecht für die Gesellschaft und auch schlecht für das Ansehen Deutschlands.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

Kernpunkt unseres Entwurfs ist, dass wir alle Diskriminierungsgründe sowohl im Arbeitsrecht als auch im Zivilrecht berücksichtigen. Nur an einem einzigen Punkt gehen wir über etwas hinaus, was in vielen Mitgliedstaaten üblich ist, nämlich, dass Behinderte, Ältere, Juden, Lesben und Schwule vom Diskriminierungsschutz beim Zugang zu Gütern und Dienstleistungen ausgeschlossen werden. Genau das fordern die CDU/CSU und die FDP mit ihrem Mantra einer blinden Eins-zu-eins-Umsetzung.

Meine Damen und Herren, wir brauchen keine dogmatischen Formeln, wir brauchen einen intelligenten Umgang mit europäischem Recht.

(Markus Grübel [CDU/CSU]: Sehr gut, Frau Schewe-Gerigk!)

- Jawohl. - Das heißt aber auch, dass wir keine neuen Ungerechtigkeiten schaffen dürfen. Es wäre doch wirklich absurd, wenn die Abweisung eines Menschen in einer Gaststätte wegen seiner Hautfarbe künftig zu Recht verboten ist, dieses Gesetz im gleichen Fall für einen Menschen mit Behinderung aber nicht greift. Soll denn wirklich weiter gelten: Behinderte müssen leider draußen bleiben? Das darf nicht sein.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN)

- Herr Grübel, hier hätte die CDU/CSU eigentlich auch klatschen können.

Dem Vernehmen nach hat die CDU/CSU der SPD in den Koalitionsverhandlungen das unsittliche Angebot gemacht, man könne über die Behinderten und die Alten vielleicht noch einmal sprechen, dafür müssten aber die Homosexuellen und die Muslime draußen bleiben.

(Klaus Uwe Benneter [SPD]: Waren Sie dabei?)

- Ich war nicht dabei, aber es gibt natürlich Personen, die darüber berichten, Herr Kollege. - Das wäre reine Willkür. Dann würde entlang der im Unionsweltbild grassierenden Vorurteile nach der Methode Aschenputtel - die Guten ins Töpfchen, die Schlechten in Kröpfchen - sortiert. Ich finde, das ist brandgefährlich. Mit einer solchen Haltung gibt man den Menschen geradezu zur Diskriminierung frei.

Vorurteile sind keine gute Grundlage für Gesetzgebung. Deshalb wäre es gut, wenn wir uns an Fakten halten würden. Werfen Sie einfach einmal einen Blick in die gerade veröffentlichte Studie "Deutsche Zustände" der Forschungsgruppe um Wilhelm Heitmeyer. Sie hat deutlich herausgearbeitet: Wer zu diskriminierendem Verhalten gegenüber einer Minderheit neigt, tut das auch gegenüber anderen Minderheiten. Wer also Juden ablehnt, hat meist auch etwas gegen Homosexuelle, wer Ausländer diskriminiert, verhält sich auch gegenüber Muslimen feindselig. Gerade deshalb brauchen wir einen integrierten Ansatz. Deshalb darf niemand vom Diskriminierungsschutz ausgegrenzt werden.

Wir sind mit unserem vorgelegten Entwurf ja sehr behutsam. Es ist ein Gesetz mit Außenmaß und ein Ausgleich zwischen vielen Interessen. Mit diesem Gesetz nehmen wir gerade die Vertragsfreiheit ernst; denn sie gilt für beide Seiten, für Angebot und Nachfrage. Menschen dürfen am Markt nicht ausgegrenzt werden, weil sie eine dunkle Haut haben, weil sie eine Frau sind oder weil sie alt sind. Alle müssen eine faire Chance haben.

Der Kollege Olaf Scholz - leider ist er heute nicht da - hat im Juni 2005 an dieser Stelle gesagt: "Dies ist ein gutes, ausgewogenes Gesetz." Das war vor sieben Monaten richtig und das ist auch heute noch richtig.

Für diskriminierte Gruppen in unserer Mitte ist das Antidiskriminierungsgesetz ein Signal der Anerkennung, das sagt: Die Gesellschaft lässt euch nicht allein. Es ist ein notwendiges Signal für mehr Geschlechtergerechtigkeit und auch für einen wirksamen Minderheitenschutz. Es hilft nichts, wenn alle in diesem Hause wortreich beteuern, man sei ja gegen Diskriminierung. Wir müssen endlich konkret etwas dafür tun.

Vielen Dank.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)

 



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