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Vaterschaftstests (11.03.2005)

Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner:

Wir müssen noch zwei Redner abwarten, bevor wir ins Wochenende gehen können.

(Irmingard Schewe-Gerigk (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN): Ja, das muss er jetzt noch ertragen!)

Das Wort hat die Kollegin Irmingard Schewe-Gerigk, Bündnis 90/Die Grünen.

Irmingard Schewe-Gerigk (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Geschlechterkämpfe sind im 21. Jahrhundert eigentlich nicht mehr so häufig anzutreffen. Aber als Justizministerin Zypries Anfang des Jahres bekannt gab, dass sie im Rahmen des Gendiagnostikgesetzes die heimlichen Vaterschaftstests verbieten wolle, brachen diese Kämpfe doch ganz heftig aus. Eine Zeitung titelte sogar "Schlampenschutzgesetz". Diese Überschrift war besonders "gelungen".

Ich fand es schon etwas frappierend, dass der Anschein erweckt wurde, als hätten Frauen nichts anderes vor, als bei der erstbesten Gelegenheit dem Mann ein Kind unterzuschieben. Ziehen wir einmal die Empirie heran, stellen sich die Verhältnisse etwas anders dar. Die meisten Vaterschaften werden angefochten, wenn sich Paare scheiden lassen. Hier wird die Vaterschaft oftmals von den Männern zur materiellen Frage degradiert. Es geht also um die Zahlung von Unterhalt. Dieser Zahlung kommen mehr als ein Drittel aller Väter gar nicht und ein weiteres Drittel nur teilweise nach. Das belastet unsere Unterhaltsvorschusskassen bundesweit pro Jahr mit einem Betrag von 780 Millionen Euro.

Mit dem Verbot heimlicher Vaterschaftstests geht es nicht, wie suggeriert wird, um die Beschneidung der Rechte von Vätern, sondern um den Schutz der Rechte des Kindes.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

Denn diesen können wir keine Schutzrechte in Bezug auf die Untersuchung ihres genetischen Materials vorenthalten, während wir uns bei Arbeitnehmern und Arbeitnehmerinnen oder bei Patienten und Patientinnen dafür einsetzen. Der Bundesgerichtshof hat das - das bewerte ich anders als Sie, Herr Kollege Gehb - glücklicherweise klargestellt: Die Entnahme und Analyse des Erbguts eines Kindes ohne sein Wissen oder ohne das Wissen seiner Mutter als seiner Stellvertreterin würde eine klare Verletzung dieses Grundrechts bedeuten.

(Otto Fricke [FDP]: Immer?)

Deshalb sind heimliche Vaterschaftstests vor Gericht unverwertbar.

Ich kann mir nicht vorstellen, dass das Bundesverfassungsgericht da anderer Meinung sein wird. Denn niemand weiß genau, ob diese Daten geschützt sind.

Dass der Familienfrieden mit heimlichen Vaterschaftstests zu retten sein soll, ist eine Doppelmoral aus dem biederen Bürgertum des vorletzten Jahrhunderts.

(Dr. Jürgen Gehb [CDU/CSU]: Jetzt geben Sie es mir aber wieder!)

Wenn ein Mann Zweifel hegt, ob er der biologische Vater eines Kindes ist, gehen damit natürlich auch tief greifende Zweifel an der Vertrauenswürdigkeit seiner Partnerin einher.

(Otto Fricke [FDP]: Richtig!)

Selbstverständlich sehe ich aber auch das Recht des Vaters darauf, zu erfahren, ob er der biologische Vater ist. Ohne das Einverständnis der Mutter bleibt ihm bisher nur das gerichtliche Anfechtungsverfahren. Das bedeutet, dass sich Väter, die vor Gericht ihre Vaterschaft bestreiten, quasi von ihren Kindern lossagen müssen.

Wenn heimliche Vaterschaftstests verboten sind - ich plädiere dafür - und dieses Verbot auch Wirkung zeigen soll, bietet es sich an, den Vätern, die Zweifel haben, ein unkomplizierteres Feststellungsverfahren ohne die rechtlichen Hürden eines Anfechtungsverfahrens zu ermöglichen. Die FDP hat entsprechend votiert.

Was die Strafbarkeit betrifft, so ist sicherlich eine vernünftige Abwägung nötig; denn ohne Sanktionen - da haben Sie, Herr Gehb, Recht - ist ein Verbot ein stumpfes Schwert. Aber wenn die Verletzung des Briefgeheimnisses unter Ehepartnern mit einer Haftstrafe von bis zu einem Jahr belegt werden kann, dann halte ich es für wirklich schwer argumentierbar, dass es bei der heimlichen Entnahme genetischen Materials des Kindes nicht so sein sollte. Wenn man das einmal miteinander vergleicht, fragt man sich, warum hier die Empörung so groß ist.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)

Darum geht der Antrag der FDP in die richtige Richtung. Wir werden ihn beraten. Ich würde mich dafür aussprechen, ein zweistufiges Verfahren vorzusehen: Willigt die Mutter nicht in einen Test ein, könnte ihre Zustimmung durch das Gericht ersetzt werden. Das Anfechtungsverfahren ist dann erst der zweite Schritt und wird nur noch in den seltensten Fällen nötig werden; denn zwischen 80 und 90 Prozent der Tests beweisen, dass der Getestete auch tatsächlich der biologische Vater ist. Man sollte es noch einmal klarstellen: Vater ist laut BGB derjenige, der mit der Mutter verheiratet ist oder der die Vaterschaft anerkannt hat. Dieses Prinzip - wir haben es auch im Kindschaftsrecht verankert - dient dem Wohl des Kindes. Das soll hier die Maxime sein.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Auch im Feststellungsverfahren muss gelten, dass es einem Test entgegenstehen kann, wenn er für das Kind eine unverhältnismäßig große Härte bedeutet. Außerdem halten wir eine Beratung des Vaters vor einem Feststellungsverfahren für notwendig - zum einen, um darüber zu sprechen, ob die Vaterschaftsklage das wirkliche Problem ist, zum anderen, um die Väter auf alle Konsequenzen ihres Handelns vorzubereiten.

Ich danke Ihnen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)



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