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UN-Übereinkommen Menschenhandel (30.06.2005)

Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer:

Das Wort hat jetzt die Abgeordnete Irmingard Schewe-Gerigk.

Irmingard Schewe-Gerigk (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Kauder, ich habe mir die Frage gestellt, warum wir heute – kurz vor der morgen früh stattfindenden Vertrau­ensfrage – über ein Thema diskutieren, das eigentlich klar ist und zu dem alles umgesetzt worden ist. Sie haben die Antwort darauf gegeben: Es ging Ihnen wieder ein­mal um die Diffamierung des Außenministers. Dies ist Ihnen aber nicht gelungen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)

Über den vorliegenden Gesetzentwurf zum Überein­kommen der Vereinten Nationen vom 15. November 2000 gegen die grenzüberschreitende organisierte Kri­minalität mit seinen Zusatzprotokollen gegen Menschen­handel und Schleusung von Migranten zu sprechen, ist mir heute in der vermeintlich vorletzten Rede in dieser Legislaturperiode vor der Vertrauensfrage ein besonde­res Vergnügen. Wir haben nämlich die Regelungen des Übereinkommens in den vergangenen Jahren umfassend im deutschen Recht verwirklicht und damit den Schutz der Opfer entscheidend verbessert und die Verfolgung der Täter erleichtert. Heute geht es deshalb nur noch um die formale Ratifizierung.

Das Übereinkommen hat einige Neuerungen für die Bekämpfung des Menschenhandels gebracht, über die ich sehr froh bin. Der Staatssekretär hat schon darauf hingewiesen: Es ging zunächst einmal um eine neue De­finition des Menschenhandels, die seinen heutigen Aus­prägungen weitaus besser entspricht. Der Begriff ist nun nicht mehr auf die Ausbeutung in der Prostitution be­schränkt. Menschenhandel ist heute der Handel von Menschen zur Ausbeutung in all ihren Facetten: zur Ar­beit, oft in Verhältnissen von Sklaverei und Leibeigen­schaft – das hört sich zwar im 21. Jahrhundert etwas merkwürdig an, aber es gibt sie immer noch –, zur Pros­titution, zur Pornografie und sogar zur Entnahme von Körperorganen. So haben wir die Definition Menschen­handel im Rahmen der Strafrechtsreform in das Strafge­setzbuch übernommen.

Das Übereinkommen nimmt noch eine andere wich­tige Klarstellung vor. Es verdeutlicht, dass Schleusung und Menschenhandel zwei unterschiedliche – wenn auch oft ineinander greifende – Handlungen sind. Denn nicht alle illegal außerhalb ihres Herkunftslandes arbeitenden Menschen werden von Menschenhändlern dazu gezwun­gen, Herr Kauder. Wir befinden uns in einer Welt, in der Geld, Waren und Dienstleistungen frei fließen können, in der aber nicht alle Länder davon profitieren. Extre­mem Reichtum steht eine krasse Armut gegenüber, die oft so unerträglich ist, dass sich Menschen freiwillig be­reit erklären, ihre Arbeitskraft auf der wohlhabenden Seite der Welt zu meist ausbeuterischen Bedingungen zu verkaufen. Dabei geraten sie häufig in die Hände organi­sierter Schleuserkriminalität.

Diese Unterscheidung möchte ich Ihnen mitgeben, Herr Kauder. Denn in den vergangenen Monaten schien mir, Sie hätten das nicht richtig verstanden, wenn Sie uns – wie auch heute wieder – im Zusammenhang mit dem Visa-Untersuchungsausschuss gleich massenhafte, nirgends nachweisbare Verbringung in die Prostitution vorgeworfen haben.

(Silke Stokar von Neuforn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Er will das nicht verstehen! – Siegfried Kauder [Villingen-Schwenningen] [CDU/CSU]: Sie wollen es nicht begreifen! – Gegenruf des Abg. Josef Philip Winkler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie wollen es nicht begreifen!)

Aber kommen wir zu dem, was wir getan haben. Ge­rade im Zusatzprotokoll geht es vor allem um den Schutz der Opfer. Diesen Punkt halten wir Grünen neben der Verbrechensbekämpfung für besonders wichtig. Auch mit der Strafrechtsreform haben wir unter anderem die Strafen für den Handel mit Kindern und den Anreiz für die Opfer erhöht, gegen ihre Täter auszusagen.

(Josef Philip Winkler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ­NEN]: Das haben wir alles gemacht!)

Wir haben auch erweiterte Mitwirkungsrechte der Opfer am Prozess vorgesehen. Im Zuwanderungsgesetz wurde zudem die Möglichkeit geschaffen, den Betroffe­nen ein befristetes Aufenthaltsrecht zu gewähren. Denn wir halten die Duldung mit ihren Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz für eine Form des Aufent­halts, die der Situation der Opfer von Menschenhandel nicht gerecht wird.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD – Josef Philip Winkler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Die Union war erst dagegen!)

– Genau, die Union war dagegen. – Denn die Opfer hel­fen dem Staat mit ihrer Aussage, die Täter zu ermitteln.

 

(Ute Kumpf [SPD]: Sie kauderwelschen, Herr Kauder! – Siegfried Kauder [Villingen-Schwenningen] [CDU/CSU]: Ich bin nicht aus Bayern!)

Wir haben uns im Bereich der Verhütung des Men­schenhandels durch die Bekämpfung der Armut stark engagiert und für Programme eingesetzt, die Frauen über die Realität der Emigration aufklären und sie bei der Su­che nach alternativen Einkommensmöglichkeiten unter­stützen.

Das Übereinkommen enthält aber nicht nur Bestim­mungen für den Bund, sondern auch für die Länder. In vielen Ländern sind Sie ja gefragt. Manche Länder erfül­len diese Bestimmungen sehr gut, andere wie Bayern – darauf habe ich gerade hingewiesen – behandeln die Opfer nach wie vor wie Straftäterinnen und haben nur im Sinn, wie sie die Frauen schnellstmöglich wieder los­werden können. Das sind oft die Länder, die sich am lau­testen für Strafverschärfungen einsetzen. Dies ist zy­nisch und hilft den Opfern überhaupt nicht. Ich richte an diese Länder die dringende Aufforderung, das Zusatz­protokoll zu lesen. Verstehen Sie, dass es zum Kampf gegen den Menschenhandel vor allem einer Stärkung der Opfer bedarf!

Ich danke Ihnen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD – Siegfried Kauder [Villingen-Schwenningen] [CDU/CSU]: Nicht immer nach den anderen rufen, selbst etwas machen!)

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