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Irmingard Schewe-Gerigk, Gleichberechtigung durchsetzen

Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner:

 

Nächste Rednerin ist die Kollegin Irmingard Schewe-Gerigk, Bündnis 90/Die Grünen.

 

Irmingard Schewe-Gerigk (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

 

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! "Männer und Frauen sind gleichberechtigt." Für diesen scheinbar so selbstverständlich klingenden Satz in Art. 3 des Grundgesetzes haben die Mütter des Grundgesetzes und allen voran die Sozialdemokratin Elisabeth Selbert hart kämpfen müssen. Waschkörbe voller Briefe aus der Zivilgesellschaft waren nötig, damit dieser Satz 1949 in das Grundgesetz aufgenommen wurde.

 

1994 gelang es ein zweites Mal, Frauenrechte im Grundgesetz zu verankern. Die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung als Staatsziel wurde festgeschrieben. Auch diesmal war dies nur durch die Zusammenarbeit der Frauen innerhalb und außerhalb des Parlamentes möglich. Ohne Frauen ist eben kein Staat zu machen.

 

Das musste letztendlich und sehr spät auch die damalige Frauenministerin Angela Merkel einsehen, obwohl sich die Sprecherin der Frauen der CDU/CSU, Ursula Männle, vehement gegen die Festschreibung als Staatsziel aussprach. Frau Karwatzki, die hier ist, hatte - da-rauf will ich hinweisen - eine andere Position. Paradoxerweise bedurfte es der Unterstützung von CDU-Männern wie Christian Wulff, um in letzter Minute gemeinsam mit den Frauen den Durchbruch zu erreichen.

 

Ob es auch daran liegt, dass Sie in Ihrem Antrag einen so verklärten Blick auf die Vergangenheit haben? Sie behaupten, entscheidende Weichenstellungen in der Frauen- und Familienpolitik würden Ihre Handschrift tragen und seit der Übernahme der Regierung durch Rot-Grün stagniere diese Entwicklung.

 

(Annette Widmann-Mauz [CDU/CSU]: Das ist doch richtig!)

 

- Kein Mensch glaubt Ihnen das, Frau Widmann-Mauz.

 

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)

 

Ich finde dies schon ziemlich dreist. Wenn ich mir Ihre Weichenstellungen in 16 Jahren Regierungszeit so ansehe, finde ich das, was Sie durchgesetzt haben, ziemlich mager. Ich erkenne ja an, dass Sie gesetzliche Regelungen im Hinblick auf die Gleichberechtigung eingeführt haben. Das alles war aber doch sehr halbherzig, weil Sie die konservativen Kräfte Ihrer Fraktion nicht hinter sich bringen konnten.

 

(Maria Michalk [CDU/CSU]:

Das ist Ihre Lesart!)

 

Das ist natürlich auch ein Problem. Nicht umsonst haben die Frauen 1998 und 2002 Rot-Grün zum Erfolg verholfen. Sie identifizierten sich mit dem Gesellschaftsbild von Rot-Grün und lehnten Ihre damalige Heim-und-Herd-Politik ab. Wir wollen eine moderne Geschlechterpolitik; Sie wollen einen modernen Herd.

 

(Heiterkeit und Beifall beim BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN und der SPD)

 

Das, was Sie gemacht haben, war stark reformbedürftig. Nehmen wir das Zweite Gleichberechtigungsgesetz. Es war so unverbindlich, dass es seine Wirkung verfehlte. 1998 waren zwar 45 Prozent der im Bundesdienst Beschäftigten Frauen. Auf der Leitungsebene aber waren sie seltene Exemplare. Unser 2001 in Kraft getretenes Gleichstellungsdurchsetzungsgesetz - es könnte einen schöneren Namen haben; das finde auch ich - enthält demgegenüber verbindliche Instrumente wie zum Beispiel die Leistungsquote. Sie hat dafür gesorgt, dass schon vier Jahre nach In-Kraft-Treten der Anteil der Referatsleiterinnen von 10 auf 16 Prozent und der der Abteilungsleiterinnen von 2 auf 12 Prozent anstiegen. Ich füge hinzu: Die Quote gilt nur bei gleicher Eignung, Leistung und Befähigung. Also, keine Sorge, liebe Kolleginnen und Kollegen von der CDU/CSU und der FDP, besser qualifizierte Männer werden auch weiterhin eingestellt und befördert. Es gibt sie ja auch tatsächlich.

 

In der letzten Woche haben wir zudem die Gleichstellung von Soldatinnen und Soldaten beschlossen. Erfreulicherweise hat die CDU/CSU trotz Quote zugestimmt; es geht also.

 

(Annette Widmann-Mauz [CDU/CSU]: Sie haben ja Gott sei Dank noch etwas geändert! Sie haben es eingesehen!)

 

Auch die Regelungen zur Elternzeit haben wir modernisiert. Die von Ihnen im Antrag geforderte Wahlfreiheit existiert schon. Sie ist durch einen Rechtsanspruch auf Reduzierung der Arbeitszeit für Väter und Mütter während der dreijährigen Elternzeit abgesichert. Nur müssen die Männer das auch annehmen, was wir ihnen hier anbieten.

 

(Silke Stokar von Neuforn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ja, das ist das Problem!)

 

Ich sehe aber einen Silberstreif am Horizont: 1998, als wir die Regierung übernahmen, waren es 1,6 Prozent der Männer, die Erziehungszeit nahmen. Jetzt, nach der Gesetzesänderung, sind es 5 Prozent. Das ist mir natürlich viel zu wenig; aber wenn Sie die Prozente hochrechnen, ist es ja doch schon viel.

 

Zwar hatten Sie damit begonnen, Erziehungs- und Pflegezeiten in der gesetzlichen Rentenversicherung anzuerkennen. Dass eine Mutter, die wegen der Kindererziehung teilzeitbeschäftigt ist oder ein niedriges Einkommen hat, jetzt bis zum zehnten Lebensjahr des Kindes den durchschnittlichen Rentenversicherungsbetrag auf ihr eigenes Rentenkonto angerechnet bekommt, hat aber Rot-Grün durchgesetzt.

 

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)

 

Wir haben auch dafür gesorgt, dass eine Frau, die bis zu drei Jahre ein Kind betreut, jetzt einen Anspruch auf Arbeitslosengeld sowie auf alle Arbeitsfördermaßnahmen hat. Auch der Anteil der Wissenschaftlerinnen an den Universitäten, die Sie in Ihrem Antrag auch erwähnen, hat sich seit 1998 stark erhöht. Allerdings sind weitere gesetzliche Regelungen gerade für die außeruniversitären Forschungseinrichtungen notwendig; denn sie verfahren noch nicht so richtig nach dem Gesetz.

 

Meine Damen und Herren von der CDU/CSU, wenn Sie behaupten, das Prinzip von Gender Mainstreaming sei in der Praxis bisher wirkungslos geblieben, so frage ich mich, ob Sie die vielen Verbesserungen nicht kennen oder nicht kennen wollen. Ich nenne nur einige: die Verbesserungen für behinderte Frauen hinsichtlich einer beruflichen Tätigkeit, die Riester-Rente, das Betriebsverfassungsgesetz, den Aufbau einer bundesweiten Gründerinnenagentur und das Gender Kompetenzzen-trum. Das alles sind Maßnahmen, die die Situation der Frauen in bestimmten Politikfeldern ganz besonders berücksichtigen. Derzeit prüfen wir, wie Gender Budgeting als besondere Form des Gender Mainstreaming in den Haushalt des Bundes eingeführt werden kann.

 

(Annette Widmann-Mauz [CDU/CSU]: Gender Budgeting gibt es seit vielen Jahren!)

 

Immer noch verdienen Frauen im Durchschnitt deutlich weniger als Männer und der Anteil von Frauen in Führungspositionen hinkt europaweit hinterher, aber es ist nicht einfach, die festgefahrenen Strukturen zu lockern.

 

Hinsichtlich der freiwilligen Vereinbarung zwischen der Regierung und den Arbeitgeberverbänden zur Förderung der Chancengleichheit in der Privatwirtschaft hatte ich nie die Illusion, sie werde wirklich etwas bewegen. Der Staatssekretär im Wirtschaftsministerium, Rezzo Schlauch, sieht es so - ich zitiere mit Genehmigung der Präsidentin -:

 

Die freiwillige Selbstverpflichtung der Privatwirtschaft, die beruflichen Chancen von Frauen zu verbessern, ist gescheitert. Das Gleichstellungsgesetz muss wieder auf die Agenda.

 

Dem habe ich nichts hinzuzufügen.

 

Ich komme zum Schluss: Die rechtliche Gleichstellung haben wir in den letzten Jahren weitgehend erreicht. Bis zur tatsächlichen Gleichstellung von Mann und Frau bedarf es aber noch großer Anstrengungen. Es wäre schön, liebe Kolleginnen von der CDU/CSU, wenn Sie sich daran beteiligten. Ich rufe Ihnen zu: Kommen Sie in der Gegenwart und in der Realität der Frauen an! Das beste Beispiel dafür - ich habe gerade solche Politikfelder angeführt - -

 

Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner:

 

Frau Kollegin, Sie müssen wirklich zum Schluss kommen. Es darf auch keine Beispiele mehr geben.

 

Irmingard Schewe-Gerigk (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

 

Nein. - Kollege Rüttgers aus Nordrhein-Westfalen wird zum Bundesparteitag einen Änderungsantrag mit der Begründung einbringen, er wolle ein neues Frauenbild für die CDU/CSU. Damit, dass es dafür endlich Zeit wird, hat der Mann vollkommen Recht.

 

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD - Annette Widmann-Mauz [CDU/CSU]: Lesen Sie mal den Antrag!)

 

 



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