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Volker Beck, Lebenspartnerschaften

Vizepräsident Dr. Norbert Lammert:

 

Das Wort hat nun der Kollege Volker Beck, Bündnis 90/Die Grünen.

 

Volker Beck (Köln) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

 

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Heute ist ein guter Tag für die Lesben und Schwulen. Auf dem langen Marsch zur Gleichberechtigung der Homosexuellen kommen wir heute wieder einen entscheidenden Schritt voran.

 

Wir beobachten heute auch, dass es eine gewisse gesellschaftliche Entspannung in der Debatte um die Rechtsstellung homosexueller Paare gibt. Das sehen wir zum einen daran, dass die Zahl derjenigen, die diesen Gesetzentwurf mittragen, gewachsen ist; ich freue mich ausdrücklich, dass die FDP unser Anliegen unterstützt. Das sehen wir zum anderen daran, dass die Aufregung in dieser Debatte trotz der Rede über die langen Ohren erheblich abgenommen hat.

 

(Daniela Raab [CDU/CSU]: Es waren abstehende Ohren, aber das macht nichts!)

 

Es hat sich herausgestellt, dass alle Befürchtungen, die bei der Einführung des Lebenspartnerschaftsgesetzes geäußert wurden, nicht eingetreten sind. Das Abendland ist nicht untergegangen, es wurde nicht weniger geheiratet und die Geburtenrate ist nicht zurückgegangen. Alles ist auf einem guten Weg, und die Schwulen und Lesben haben in dieser Gesellschaft endlich mehr Rechte.

 

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der FDP)

 

Bei dem Lebenspartnerschaftsgesetz ist es ein bisschen wie in jeder guten Ehe: Irgendwann wagt man den großen Schritt und will heiraten, macht eine Hochzeitsliste und wünscht sich so allerhand; manches bekommt man und manches bekommt man nicht. So war das auch bei der Verabschiedung des Lebenspartnerschaftsgesetzes in der letzten Wahlperiode. Heute sind wir dabei, den Hausrat zu komplettieren, etwa bei der Hinterbliebenenversorgung und beim Verlöbnis. Wir führen die Stiefkindadoption für leibliche Kinder des Lebenspartners ein und beseitigen Ungereimtheiten beim Güterrecht, beim Unterhaltsrecht und beim Scheidungsrecht.

 

Der Gesetzentwurf, den wir heute beschließen, ist eine sehr gute Grundlage. Als die will ich es eindeutig verstanden wissen, und zwar für ein Lebenspartnerschaftsergänzungsgesetz, das wir als Koalition nach der Verabschiedung dieses Gesetzentwurfs in Angriff nehmen wollen und in dem wir die steuerrechtliche und beamtenrechtliche Gleichstellung dieser Paare vorantreiben wollen.

 

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

 

Das Ergebnis wird dann nicht allein von der Koalition, sondern auch von der Mehrheit im Bundesrat abhängen. Wir wollen die Diskriminierung beseitigen. Ich heiße jeden in dem Bündnis, das überparteilich und über die Grenzen von Koalition und Opposition hinweg entsteht, willkommen, hieran mitzuwirken, um in beiden Häusern eine Mehrheit zu erreichen.

 

Die Anhörung - Sie von der Union haben sie angestrebt, das ist Ihr gutes Recht - hat gezeigt, dass man gegen den vorliegenden Gesetzentwurf mit vernünftigen und guten Argumenten nicht ankommt. Einer Ihrer Sachverständigen, Professor Helge Sodan, hat erklärt, dass er die Regelungen dieses Gesetzentwurfs nicht mag, aber verfassungsrechtlich seien sie in Ordnung. Ein anderer von Ihnen benannter Sachverständiger, Professor Wolf, hat gesagt, die Lebenspartnerschaft sei viel zu nah an der Ehe. Das gefalle ihm nicht, weil für ihn die obligatorische Zivilehe nach deutschem Muster abgeschafft gehöre. - Das ist eine interessante Position der Konservativen in diesem Haus.

 

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

 

Frau Vonholdt, die dritte Sachverständige aus Ihren Reihen, hielt es mit dieser Frage ein bisschen anders. Sie ist gegen das Lebenspartnerschaftsgesetz, weil sie die Homosexualität abschaffen will, und zwar durch Heilung, Wegbeten oder was sie sonst noch alles in ihren Schriften vertritt.

 

(Irmingard Schewe-Gerigk [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Buttiglione!)

 

Das zeigt: Mit einer vernünftigen Argumentation kann man gegen die Gleichstellung homosexueller Partnerschaften nicht sein. Niemandem wird eine Extrawurst gebraten, sondern für uns gilt: Wer die gleichen Pflichten in der Partnerschaft übernimmt und damit dem Staat und der Gesellschaft Verantwortung abnimmt und diese in die Lebensgemeinschaft verlagert, der muss auch die gleichen Rechte bekommen. Das Bundesverfassungsgericht hat zu Recht erklärt: Die gleichgeschlechtliche Partnerschaft bzw. die Lebenspartnerschaft nimmt der Ehe in ihrer Stellung und Bedeutung nichts weg, weil sie einen anderen Personenkreis betrifft.

 

Deshalb ist es ein Aliud. Aus der Aliudtheorie des Bundesverfassungsgerichts folgt gerade die Erlaubnis zur vollständigen Gleichstellung und zur Nichtdiskriminierung der homosexuellen Paare.

 

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie des Abg. Michael Kauch [FDP])

 

Ich habe heute gelesen, dass sich der hessische Justizminister Wagner zu der Frage der Stiefkindadoption geäußert hat. Er versucht, das Anliegen der Koalition mit dem Wort von der "schrankenlosen Gleichstellungsideologie" zu denunzieren. Bei der Gleichberechtigung gibt es kein Übermaß; das schließt sich denklogisch schon aus. Es geht vielmehr darum, dass man in der Gesellschaft fair miteinander umgeht. Die Menschenwürde unseres Grundgesetzes drückt sich gerade im Gleichbehandlungsartikel aus. Er besagt, dass alle Menschen, ob heterosexuell oder homosexuell, ob schwarz oder weiß, ob Mann oder Frau, welcher Religion auch immer, in Bezug auf Würde und Rechte gleich sind. Es ist für Homosexuelle auch nach dem heutigen Tag noch nicht gänzlich Wahrheit geworden, dass sie gleich an Rechten sind. Aber diese Koalition wird nicht müde werden, daran zu arbeiten, dass dieses eines Tages Wahrheit wird.

 

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)

 

 



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