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Irmingard Schewe-Gerigk, Menschenhandel - Änderung §§ 180b, 181 StGB

Vizepräsident Dr. Norbert Lammert:

 

Die nächste Rednerin ist die Kollegin Irmingard Schewe-Gerigk, Bündnis 90/Die Grünen.

 

Irmingard Schewe-Gerigk (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

 

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Kollege Kauder, es ist bekannt, dass die CDU/CSU immer etwas langsamer ist. Sie sprechen von Zeitdruck, aber es liegt ein halbes Jahr zwischen der ersten und der dritten Lesung dieses Gesetzentwurfs. Ich glaube schon, dass ein halbes Jahr eine ausreichende Zeit ist.

 

(Siegfried Kauder [Bad Dürrheim] [CDU/ CSU]: Drei Monate Umsetzungsfrist!)

 

Allen bayerischen Unkenrufen zum Trotz liegt der Entwurf eines Strafrechtsänderungsgesetzes im Bereich des Menschenhandels und der Zwangsverheiratung heute vor. Insbesondere durch die Änderungsanträge, die Rot-Grün als Folge der Sachverständigenanhörung formuliert hat, wird der EU-Rahmenbeschluss umfassend in deutsches Recht umgesetzt. Die Zahlen sind hinlänglich bekannt - Sie haben sie gerade erwähnt -: Bis zu 500 000 Frauen werden jährlich aus Osteuropa nach Westeuropa verbracht. Das Geschäft ist lukrativ, das Risiko, als Täter verurteilt zu werden, ist gering. Menschenhandel ist ein Ermittlungsdelikt. Dort, wo wegen Personalmangels nicht ermittelt wird, kann auch nicht angeklagt und nicht verurteilt werden. Hinzu kommt, dass vielfach Verfahren eingestellt werden mussten, oft aufgrund von mangelnden Beweisen, aber auch weil Opferzeuginnen aus Angst die Aussage verweigerten, häufig aber auch wegen der bisherigen Definition.

 

Mit dem heutigen Strafrechtsänderungsgesetz verbessern wir den strafrechtlichen Schutz der Opfer von Menschenhandel, wir erleichtern die Strafverfolgung und schließen Strafbarkeitslücken. Wir geben auch eine Antwort auf die Tatsache, dass der Menschenhandel facettenreicher ist, als er vom Gesetz bisher erfasst wurde. Zwar stellt die Zwangsprostitution das häufigste Delikt dar, aber die Ausbeutung findet auch in anderen Bereichen statt, etwa in Peepshows, zur Herstellung pornographischer Darstellungen, bei der Zwangsverheiratung und bei der Zwangsarbeit.

 

Daher haben wir die Tatbestände erweitert und in den Abschnitt über die Straftaten gegen die persönliche Freiheit gestellt. Ein Tatbestand des Menschenhandels zur Ausbeutung der Arbeitskraft wurde neu geschaffen.

 

Die Idee, den Zwang zur Ehe ausdrücklich in das Strafgesetzbuch aufzunehmen und damit ein wirksames Signal gegen Zwangsverheiratung zu setzen, haben wir längst in unseren Gesetzentwurf aufgenommen, bevor Baden-Württemberg die Bundesratsinitiative gestartet hat, die jetzt erst einmal vom Bundesrat gestoppt wurde. Künftig gilt die Zwangsverheiratung als besonders schwerer Fall der Nötigung und kann mit einer Freiheitsstrafe von bis zu fünf Jahren bestraft werden.

 

Wer aber den Opfern wirklich helfen will, muss vor allem dafür sorgen, dass sie im Falle einer Rückkehr ihren Aufenthaltsstatus nicht nach sechs Monaten verlieren. Das ist mit Ihnen, meine Damen und Herren von der CDU/CSU, offensichtlich nicht möglich; es ist aber praktizierter Opferschutz, für den Sie sich sonst immer sehr intensiv einsetzen, Herr Kauder.

 

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der FDP)

 

Doch zurück zum Menschenhandel: In der Sachverständigenanhörung wurde eine Reihe von Verbesserungsvorschlägen gemacht, die sich in den Änderungsanträgen wiederfinden. Durch den neuen Tatbestand „Förderung des Menschenhandels“ werden nun auch beihilfeartige Handlungen wie das Beherbergen oder Befördern von Opfern erfasst. Erst dadurch können wirtschaftlich profitierende Hintermänner bzw. Personen aus dem kriminellen Umfeld bestraft werden, denen bisher kein Menschenhandel im engeren Sinne nachzuweisen war. Ich halte das für einen sehr wichtigen Schritt.

 

Ich bin auch sehr froh darüber, dass für den Tatbestand der sexuellen Ausbeutung nicht länger die Vo-raussetzung gelten soll, dass der Täter durch die Tat einen Vermögensvorteil erlangt. Wie wir wissen, muss das Täterverhalten nicht immer durch Vermögenswerte motiviert sein.

 

Das Schutzalter, bei dem Menschenhandel auch ohne das Ausnutzen einer Zwangslage strafbar ist, wird weiterhin bei 21 Jahren liegen, auch wenn dies in rechtssystematischer Hinsicht vielleicht keine saubere Lösung ist. Wir meinen aber, dass dadurch ein wirksamerer Schutz der Opfer gegeben ist, die überwiegend der Altersgruppe der 18- bis 21-Jährigen angehören und deren Unerfahrenheit ausgenutzt wird.

 

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der FDP)

 

Diese Änderungen werden den strafrechtlichen Schutz der Opfer stärken und die Täter und Täterinnen - vereinzelt handelt es sich auch um Frauen - zur Verantwortung ziehen. Um aber eine effiziente Verbesserung zu erzielen, sind weitere Schritte nötig. Dabei spielt das Zeugnisverweigerungsrecht für Fachberatungsstellen eine zentrale Rolle. Das werden wir im Rahmen der Strafprozessordnungsreform regeln.

 

Ich glaube, wir wären gut beraten, eine prozentuale Beteiligung an den eingezogenen Gewinnen als Unterstützung für die Arbeit der Fachberatungsstellen vorzusehen. Auch aufenthaltsrechtliche Änderungen trügen im gleichen Maße zum Opferschutz und zur Ermittlung der Täter bei. Dabei handelt es sich um einen Knackpunkt, über den wir gerne mit der CDU/CSU diskutieren würden.

 

Lassen Sie mich noch etwas zu der von Ihnen geforderten Freierbestrafung anmerken, Herr Kauder. Es ist wirklich sehr schade, dass die Union ihre Zusage aus dem ansonsten sehr guten Berichterstattergespräch nicht eingehalten und den Antrag jetzt doch zur Abstimmung gestellt hat. Wir waren uns darin einig, eine genaue Prüfung möglicher Strafbarkeitslücken vornehmen zu wollen. Wir wollen auch verhindern, dass Freier die Hilflosigkeit der Opfer von Menschenhandel ungestraft ausnutzen können. Der Antrag der Union hat sich aber nicht ausreichend mit den praktischen und juristischen Schwierigkeiten dieses Vorhabens auseinander gesetzt.

 

(Abg. Siegfried Kauder [Bad Dürrheim] [CDU/CSU] meldet sich zu einer Zwischenfrage)

 

Vizepräsident Dr. Norbert Lammert:

 

Für diesen Wunsch nach einer Zwischenfrage gilt leider das Gleiche, das ich vorhin schon angeführt habe: Da Ihre Redezeit bereits überschritten ist, kann ich sie nicht zulassen.

 

(Siegfried Kauder [Bad Dürrheim] [CDU/ CSU]: Ich stand aber schon vor dem Ende der Redezeit!)

 

Irmingard Schewe-Gerigk (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

 

Dann werde ich mich nach meiner Rede à deux mit dem Kollegen Kauder zusammensetzen, um diese Frage zu besprechen.

 

Gestatten Sie mir einen letzten Satz: Wir werden juristisch, aber auch mithilfe von Fachleuten aus der Praxis prüfen, ob und wo es noch Lücken gibt und wie wir sie schließen können. Daneben müssen wir aber die Gesellschaft und insbesondere die Männer weiter sensibilisieren. Denn Gesetze alleine helfen nicht weiter. Wir als Gesetzgeber und Gesetzgeberinnen wollen das Unsere dazu tun.

 

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

 

 



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