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Irmingard Schewe-Gerigk, Gleichstellung in der Bundeswehr

Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer:

 

Das Wort hat jetzt die Abgeordnete Irmingard Schewe-Gerigk.

 

Irmingard Schewe-Gerigk (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

 

Frau Präsidentin! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Es war eine Frau, die das Innenleben der Bundeswehr stärker verändert hat als manche Reform zuvor. Als Tanja Kreil im Jahre 2000 vor dem Europäischen Gerichtshof den Zugang für Frauen auch zum Dienst an der Waffe erstritt, war klar: Das ist eine enorme Herausforderung für die Bundeswehr. Das Ende einer der letzten Männerbünde wurde eingeläutet; denn die Bundeswehr war - mit Ausnahme des Sanitäts- und des Musikdiens-tes - ganz offensichtlich einer. Militär und Mann im Gleichklang!

 

Nun wissen wir, dass sich Männerbünde nicht freiwillig und auch nicht gerne für Frauen öffnen. Hier macht die Bundeswehr trotz guten Willens und offizieller Lippenbekenntnisse zur problemlosen Integration von Frauen keine Ausnahme. Daher war klar: Wir wollen und müssen diesen Transformationsprozess - man kann diesen Begriff durchaus verwenden - mit gesetzlichen Rahmenbedingungen unterstützen. Wir haben die Bundeswehr aus guten Gründen nicht in den Geltungsbereich des Gleichstellungsgesetzes für den öffentlichen Dienst aufgenommen. Die besonderen Bedingungen der Streitkräfte werden nun in dem vorliegenden Regierungsentwurf berücksichtigt. Ich bin froh über diesen Entwurf; denn er bietet den Soldatinnen und Soldaten - also auch den Männern - viele Verbesserungen. Wir wollen eine gezielte Ansprache und Förderung von Frauen und wollen die Vereinbarkeit von Familie und Dienst verbessern.

 

Der Entwurf sieht eine Quote von 15 Prozent bei der Truppe und eine Quote von 50 Prozent beim Sanitätsdienst vor. Meine Damen und Herren von der Opposition - ich spreche insbesondere Sie an, Frau Lietz -, gerade hat der Herr Staatssekretär versucht, Ihnen die Quotenregelung zu erklären. Sie gilt erst bei gleicher Eignung, Befähigung und Leistung. Die Sorge, dass schlechter qualifizierte Frauen besseren Männern vorgezogen würden, ist wirklich unbegründet.

 

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

 

Normalerweise gilt das so lange, bis der Anteil eines Geschlechts nicht mehr unterrepräsentiert ist, also bis 50 Prozent und nicht bis 15 Prozent, wie es der Gesetzentwurf vorsieht. Meine Gespräche mit Soldatinnen haben jedoch gezeigt, dass sie diese - in ihren Augen - Sonderbehandlung fürchten. Es ist eben noch ein sehr weiter Weg zur wirklichen Gleichberechtigung.

 

Der Vorschlag der CDU/CSU, die "starre Quotierung" aufzugeben und stattdessen bis zum Erreichen der Quote die Unterrepräsentanz des Anteils der Soldatinnen an den Geburtsjahrgängen zu definieren, ist aber nicht zielführend. Frau Lietz, Sie schreiben damit den Anteil der Soldatinnen fest und unternehmen so keine Anstrengungen, ihn zu erhöhen. Auch der Vorschlag der FDP, den Frauenanteil durch nachprüfbare Zielgrößen zu erhöhen, die aber keineswegs Quoten sein dürfen, scheint mir mehr der Angst der FDP vor der Quote geschuldet zu sein, als zur Erhöhung des Frauenanteils beizutragen.

 

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Ina Lenke [FDP]: Ich sage dazu gleich etwas!)

 

- Das ist in Ordnung.

 

Der vorliegende Gesetzentwurf macht deutlich: Sind Frauen und Männer gleich gut, werden nun Frauen eingestellt oder befördert. Wir werden die weitere Entwicklung genau beobachten, und zwar auch daraufhin, ob es ausreicht, die Gleichstellungsbeauftragten erst ab der Divisionsebene zu wählen. Frau Lietz, aus diesem Grunde erscheinen mir die Fristen für die Überprüfung des Gesetzes zu lang: fünf Jahre für die Überprüfung der Quotenregelung und vier Jahre bis zum ersten Bericht. Das ist zwar an das Gleichstellungsgesetz für den öffentlichen Dienst angelehnt. Aber die Bundeswehr ist wegen ihrer Geschichte und Struktur ein anderer Arbeitgeber.

 

Darum hat das Parlament die Pflicht, die Entwicklung genau zu prüfen. Eine Verkürzung beider Berichtsfristen auf zwei Jahre wäre meines Erachtens angemessen. Ein jährlicher Bericht, wie Sie von der CDU/CSU es fordern, scheint mir ein wenig über das Ziel hinaus zu schießen; schließlich brauchen neue Bestimmungen auch Zeit, um zu greifen.

 

(Ursula Lietz [CDU/CSU]: Darauf können wir uns einigen!)

 

Die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen begrüßt sowohl die Gleichstellungspläne als auch die Wahl der Gleichstellungsbeauftragten. Damit gibt es gewählte Ansprechstellen für die Fälle von sexueller Belästigung oder Mobbing, die sich im Bericht des Wehrbeauftragten traurigerweise immer wieder finden.

 

(Silke Stokar von Neuforn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist ganz wichtig!)

 

- Genau, das ist ganz wichtig!

 

Die Änderung des Soldatengesetzes ermöglicht auch die Einführung von Teilzeit und familienbedingter Beurlaubung. Damit machen wir einen großen Schritt zur Vereinbarkeit von Familie und Dienst. Dies gilt übrigens auch für die Soldaten, meine sehr geehrten Damen und Herren; dies ist mir ebenfalls sehr wichtig.

 

Ein Punkt, bei dem ich die Kritik der CDU/CSU teile, ist die generelle Nichtgeltung bei Auslandseinsätzen. Es mag durchaus Situationen geben, in denen das Gleichstellungsgesetz zurückstehen muss. Aber ich sehe es nicht als angemessen an, daraus eine Generalklausel zu machen. Hier erwarte ich im Einzelfall eine Begründung des Ministers.

 

Meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, ich freue mich, dass wir der rechtlichen Gleichstellung der Soldatinnen und Soldaten in großen Schritten näher kommen. Lassen Sie uns auch die faktische Gleichstellung beobachten und aktiv unterstützen. Vielleicht können wir in den Ausschüssen einmal darüber sprechen, ob wir einen gemeinsamen Antrag zu stellen in der Lage sind.

 

Eine allerletzte Anregung: Die Frau Präsidentin hatte vorhin den Titel dieses Gesetzes genannt. Möglicherweise sollten wir eine Kommission gründen, die etwas anwendungsfreundlichere Titel von Gesetzen findet.

 

Vielen Dank.

 

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)

 

Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer:

 

Seien Sie froh, dass wir so lange Wörter noch lesen können.

 

(Heiterkeit)

 

 



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