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Irmingard Schewe-Gerigk, Opferschutz

Es gilt das gesprochene Wort.

 

In der Debatte zum Opferrechtsreformgesetz führte die Abgeordnete u.a. Folgendes aus:

 

Sehr geehrte Damen und Herren,

 

die Fraktionen von SPD und Bündnis 90/DIE GRÜNEN legen heute einen Gesetzentwurf vor, der die Belange aller Opfer im gesamten Strafprozessverfahren umfassend verbessert ohne dabei berechtigte Interessen der Angeklagten zu vernachlässigen.

 

Die Menschen, um die es geht - meist Frauen und Kinder - haben schlimme Gewaltverbrechen erlitten: grausamste Verletzungen an Körper und Seele sexualisierte Gewalt, Zwangsprostitution.

 

An den Folgen der Taten tragen sie meist noch Jahre später, viele ein Leben lang.

 

Darum ist es notwendig, die Folgen einer Tat für das Opfer verstärkt in das Blickfeld zu rücken und das gesamte Ermittlungs- und Strafverfahren so zu gestalten, dass es für sie ohne zusätzliche Verletzungen abläuft, sie die Tat doppelt erleben.

 

Für viele Opfer - und da sind es besonders die Kinder - stellt die nochmalige Konfrontation mit den Tätern im Ermittlungsverfahren oder als Zeuge oder Zeugin vor Gericht eine unzumutbare Belastung statt.

 

Darum wollen wir eine Vernehmung der kindlichen Opfer aus einem Nebenraum heraus per Video-Standleitung ermöglichen. Und da sind wir uns ja hier um Hause einig. Allerdings sieht unser Vorschlag vor, dass der oder die Vorsitzende im Gerichtssaal verbleibt und nur das Kind außerhalb des Sitzungssaales vernommen wird. Wir ziehen dieses Verfahren dem "Mainzer Modell" vor, das Sie - meine Damen und Herren von der CDU - in ihrem Gesetzentwurf präferieren.

 

Wir glauben, dass es für die Unmittelbarkeit der Hauptverhandlung besser ist, wenn der Richter oder die Richterin im Saal bleibt. Ich persönlich bin sehr froh, dass die Herausgabe von Videobändern über die Vernehmung von Kindern an die Täter nicht erfolgt und nur den zur Akteneinsicht Berechtigten diese Aufzeichnungen überlassen werden. Das verhindert, dass sich Täter jederzeit an dem durch sie verübten Leid noch ergötzen können.

 

Daneben wollen wir besonders schutzbedürftige Zeuginnen und Zeugen, wie z.B. Opfer von Sexualverbrechen vor Belastungen durch mehrfache Vernehmungen zum gleichen Gegenstand bewahren.

 

So kann künftig direkt beim Landgericht Klage erhoben werden, anstatt wie bisher zunächst beim Amtsgericht, und dann erst in zweiter Instanz beim Landgericht.

 

Damit ersparen wir den Opfern die nochmalige Vernehmung in einer etwaigen zweiten Tatsacheninstanz.

 

Wir stärken mit diesem Gesetzentwurf, - und da sollte auch mit Ihrer Zustimmung zu rechnen sein, - konsequent die Rechte aller Opfer im gesamten Verfahren. Prostituierte, die durch Zuhälter ausgebeutet wurden, können sich jetzt dem Strafverfahren gegen diesen mit der Nebenklage anschließen. Sie schlechter zu behandeln als andere Opfer kann durch nichts legitimiert werden.

 

Und auch bei der körperlichen Untersuchung haben wir verändert, das nicht nur für Frauen die Untersuchung von Personen gleichen Geschlecht vorgenommen werden kann. Auch Männer können ein Schamgefühl haben, verehrte Kollegen und Kolleginnen von der CDU/CSU. Bei berechtigtem Interesse - und ich denke dabei gerade an kleine Jungen, die von Männern missbraucht wurden, kann das Opfer das Geschlecht der untersuchenden Person bestimmen. Das ist Opferschutz, der sich an den Realitäten orientiert.

 

Daneben besteht das grundsätzliche Recht, sich durch eine Person seines Vertrauens in Vernehmungen begleiten zu lassen.

 

Und, Herr Kollege Kauder, nahe Angehörige von Getöteten werden künftig im Strafverfahren Anspruch auf kostenlose Beiordnung eines "Hinterbliebenenanwalts" haben.

 

Liebe Kolleginnen und Kollegen, nur wer informiert ist, kann seine Rechte wahrnehmen und sich schützen.

 

Künftig werden die Verletzten nicht nur besser über ihre Rechte, sondern auch über den Ablauf des Strafverfahrens informiert: z.B. über Verfahrenseinstellung, Eröffnung des Hauptverfahrens und dessen Sachstand sowie über Haft, Unterbringung, Vollzugslockerungen und Entlassung des Täters. Und dies gilt nicht nur auf Antrag, wie Sie, meine Damen und Herren von der Opposition das vorgeschlagen hatten.

 

Gerade Opfer von Gewaltverbrechen wollen wissen, ob und wann sich ihr Peiniger auf freiem Fuß befindet. Versetzen Sie sich doch einmal in die Situation einer vergewaltigten Frau, die sich aufgrund des Strafmaßes sicher fühlt und den Täter in Haft vermutet, und ihn dann plötzlich in der Nähe ihrer Wohnung trifft.

 

Ich meine es nicht schwer sich vorzustellen, dass bei ihr die Angst und das Gefühl von Unsicherheit sofort zurückkehren. Zukünftig werden wir Opfern schwerer Straftaten eine solche Situation ersparen.

 

Ich komme zu einem weiteren für die Opfer wichtiger Bereich: der Ausgleich des Schadens. In den allermeisten Fällen wird durch die Straftat auch ein Schaden verursacht. Momentan ist es in der Praxis die Regel, dass die meisten Schadenersatzansprüche der Opfer in einem weiteren zivilrechtlichen Verfahren entschieden werden. Damit sind für das Opfer eine weitere Klageerhebung und wiederum Ladung und Aussagen vor Gericht verbunden. Mit dem vorliegenden Gesetzentwurf verbessern wir die Möglichkeiten, gleich im Strafverfahren auch Ersatz des aus der Straftat entstandenen Schadens festsetzen zu lassen. Durch die Möglichkeiten eines so erweiterten, sogenannten Adhäsionsverfahren, ersparen wir den Opfern eine zusätzliche Klage vor einem Zivilgericht.

 

Meine Damen und Herren - erlauben Sie mir noch zum Schluss diese Bemerkung: Der vorliegende Gesetzentwurf enthält so viele Verbesserung zugunsten der Opfer von Straftaten, dass man mit allem Recht von einer umfassenden Reform der Opferrechte sprechen kann. Dieses Gesetz, das wir nun auf den Weg bringen, ist dabei ein wichtiger Schritt in der bevorstehenden Gesamtreform der Strafprozessordnung. Im Dezember wird es eine Sachverständigenanhörung geben und es würde mich besonders freuen, wenn wir bei so einem wichtigen Thema eine gemeinsame Entscheidung treffen könnten.

 

 



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