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Irmingard Schewe-Gerigk, CEDAW

Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer:

 

Das Wort hat jetzt die Abgeordnete Irmingard Schewe-Gerigk.

 

Irmingard Schewe-Gerigk (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

 

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Die heutige Debatte über den Fünften Staatenbericht der Bundesregierung zum Übereinkommen zur Beseitigung jeder Form der Diskriminierung der Frau bietet die Gelegenheit, die Gleichstellungssituation in unserem Land etwas näher zu beleuchten. Alle vier Jahre muss Deutschland dem zuständigen UN-Ausschuss über die Entwicklung der Lebenssituation von Frauen berichten. Ich freue mich besonders, zu unserer Debatte auch die Vertreterinnen zahlreicher Frauenverbände zu begrüßen, die heute auf der Tribüne Platz genommen haben. Herzlich willkommen!

 

(Beifall)

 

Ihre oft auch kritischen Positionen im Interesse der Frauen sind uns ein Ansporn für unsere Arbeit.

 

Das CEDAW-Abkommen zur Beseitigung jeder Form von Diskriminierung der Frau aus dem Jahr 1979 verpflichtet die Bundesregierung, die Gleichberechtigung von Mann und Frau in wirtschaftlicher, sozialer, kultureller, bürgerlicher und politischer Hinsicht sicherzustellen. Durch die Verabschiedung des Fakultativprotokolls ist aus diesem CEDAW-Abkommen inzwischen auch ein rechtlich verbindliches Instrument entstanden. Seit Januar 2002 können Frauen im Falle einer Diskriminierung nämlich individuell Beschwerde bis hin zu den Vereinten Nationen einlegen. Zurzeit wird in Deutschland das erste Untersuchungsverfahren durchgeführt. Im Falle von zehn weiblichen Angestellten in Diplomatenhaushalten wird auf systematische Benachteiligungen hin geprüft.

 

Der vorliegende Fünfte CEDAW-Bericht belegt eindrucksvoll, welche Fortschritte in den vergangenen vier Jahren durch die Politik der rot-grünen Bundesregierung erzielt wurden. Diese Fortschritte waren auch dringend nötig; denn die von CDU/CSU geführte Regierung - das belegen die Zahlen - hatte uns 1998 eine eher miserable gleichstellungspolitische Situation hinterlassen.

 

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)

 

Anders, meine Damen und Herren von der Opposition, kann ich die lange Mängelliste des CEDAW-Ausschusses zu den damals überfälligen gleichstellungspolitischen Notwendigkeiten nicht erklären. Stellen Sie sich die Kritik des Ausschusses wie einen TÜV-Bericht für die Gleichstellungspolitik vor! Der Ausschuss hat der damaligen Bundesregierung eine Mängelliste mit mehr als 28 Punkten zur Erledigung ausgehändigt. Wenn Sie mir erlauben, im Bild zu bleiben, sage ich: Was die von CDU/CSU geführte Bundesregierung gleichstellungspolitisch hinterlassen hatte, konnte bestenfalls als "nicht fahrtüchtig" bezeichnet werden.

 

(Ina Lenke [FDP]: So ein Quatsch! - Maria Eichhorn [CDU/CSU]: Der Deutsche Frauenrat stellt ein anderes Zeugnis aus! Was haben Sie denn schon getan?)

 

- Es ist so! Wir haben es leider schriftlich, Frau Eichhorn.

 

Die Kritik der Vereinten Nationen an der Gleichstellungspolitik der von CDU/CSU geführten Regierung bezieht sich auf zwei zentrale Bereiche - das hört sich anders an als Ihre Rede; die Medaille hat eben zwei Seiten -, einmal den fehlenden Abbau der systematischen Diskriminierung von Frauen, insbesondere im Erwerbsleben, und zum anderen die mangelhaften Maßnahmen zum Schutz von Frauen, insbesondere Migrantinnen, vor Gewalt.

 

In diesen beiden Bereichen haben wir nachhaltige Verbesserungen erzielen können. Ich nenne nur einige: das Elternzeitgesetz, das Teilzeitgesetz, ein Gleichstellungsgesetz für den öffentlichen Dienst, gesetzliche Änderungen für die Erwerbsarbeit, das Lebenspartnerschaftsgesetz, die Verbesserung der rechtlichen und sozialen Situation von Prostituierten, das Gewaltschutzgesetz, der eigenständige Aufenthalt für ausländische Ehefrauen. Ich könnte diese Liste noch verlängern. Alles das haben wir in vier Jahren erreicht. Frau Eichhorn, das sollten Sie einmal zur Kenntnis nehmen!

 

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)

 

Wir sehen es aber auch als unsere Verpflichtung an, Frauen, die Opfer furchtbarster Menschenrechtsverletzungen, etwa von Verstümmelungen, Vergewaltigungen in kriegerischen Auseinandersetzungen und Zwangsprostitution, werden, in Deutschland Schutz zu geben. Darum beinhaltet das Zuwanderungsgesetz - heute Morgen wurde darüber diskutiert - die Anerkennung geschlechtsspezifischer und nicht staatlicher Verfolgung nach der Genfer Flüchtlingskonvention.

 

Meine verehrten Kollegen und Kolleginnen von der Opposition, Sie haben es nicht nur während Ihrer Regierungsverantwortung versäumt, etwas zum verbesserten Schutz der Migrantinnen zu tun, sondern verhindern noch heute dringend notwendige Reformen. Ihre fehlende Zustimmung im Bundesrat kann ich nur als eines bezeichnen: als verantwortungslos. Das sieht der CEDAW-Ausschuss ganz genauso.

 

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)

 

Als würde das nicht reichen, haben Sie bereits angekündigt, erzielte Verbesserungen der rot-grünen Regierung wieder rückgängig zu machen. Wir werden es nicht zulassen, dass künftig ausländische Ehefrauen vier Jahre in unzumutbaren Ehen verharren, um nicht aus Deutschland ausgewiesen zu werden. Das werden Sie nicht erreichen.

 

Ich will es überhaupt nicht verhehlen: Wir haben noch unendlich viel zu tun, bevor wir gerade im Erwerbsleben und bei der traditionellen Rollen- und Aufgabenverteilung eine faktische Gleichstellung von Frauen und Männern erreicht haben. Diese Verantwortung nehmen wir ernst. Das wissen die Frauen; darum haben sie Rot-Grün wiedergewählt. Wir werden alles dafür tun, dass die Lohnungerechtigkeit, die im Hinblick auf das durchschnittliche Frauen- und Männereinkommen besteht und 30 Prozent ausmacht, bald der Vergangenheit angehört. Beginnend beim öffentlichen Dienst werden wir die Tarifparteien auf nicht diskriminierende Tarife verpflichten, wie es der Europäische Gerichtshof fordert. Ich freue mich, dass auch die Ministerin das gerade so formuliert hat. Die jungen Frauen, die inzwischen bessere Schul- und Hochschulabschlüsse haben als ihre männlichen Kollegen, lassen sich nicht länger mit 70 Prozent des durchschnittlichen Einkommens abspeisen. Frauen wollen 100 Prozent. Es ist an der Zeit für Lohngerechtigkeit.

 

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)

 

Zu Recht mahnt der CEDAW-Ausschuss aber auch die mangelnden Anreize für die Privatwirtschaft an, aktiv an der Gleichstellungspolitik mitzuwirken. Mit der Vereinbarung mit den Spitzenverbänden der Privatwirtschaft ist ein Anfang gemacht. Das ist zu wenig; das wissen wir. Wir werden die Erfolge prüfen und ich hoffe, es wird Erfolge geben.

 

(Ina Lenke [FDP]: Was denn?)

 

- Dann kommen gesetzliche Regelungen, verehrte Frau Kollegin. Aber darauf komme ich in den nächsten Sätzen zu sprechen. Sie sollten sich also etwas gedulden.

 

Weitere Maßnahmen wie die Koppelung der Vergabe von öffentlichen Aufträgen an die Umsetzung der Gleichstellung und Regelungen für die Privatwirtschaft müssen bei der Umsetzung von EU-Richtlinien folgen.

 

(Ina Lenke [FDP]: Müssen nicht!)

 

Aber auch bei den Reformen des Arbeitsmarktes und der sozialen Sicherungssysteme muss das Prinzip "Gender Mainstreaming" besser als bisher verwirklicht werden. Ich nenne die für Frauen höheren Beiträge für die private Altersvorsorge. Ich lasse nicht in meiner Forderung nach, dass wir hier Änderungen vornehmen müssen. In diesem Punkt kann ich Ihnen, Frau Eichhorn, zustimmen; damit habe ich kein Problem.

 

Die Anmerkung des Ausschusses, stärker die notwendige Verhaltensänderung von Männern in den Blick zu nehmen, ist Rückenwind für die Position der Grünen. Damit deutlich mehr Väter schon früh Verantwortung für ihre Kinder übernehmen, wäre ein kurzer Vaterschaftsurlaub sicherlich ein sehr guter Anreiz. Auch die Mahnung des Ausschusses, die Wirkung des Ehegattensplittings im Hinblick auf die Verfestigung von stereotypen Rollen zu überprüfen, ist Wasser auf unsere Mühlen. Denn das Ehegattensplitting und die Steuerklasse V haben sich als Erwerbshindernisse für Frauen herausgestellt. Das müssen wir ändern.

 

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD - Maria Eichhorn [CDU/ CSU]: Sie haben aber eine andere Meinung als die Ministerin! - Zuruf der Abg. Ina Lenke [FDP])

 

- Verehrte Kollegin Lenke, die FDP hat bis vor einem Jahr in ihrem Programm die Abschaffung des Ehegattensplittings vorgesehen. Irgendwann ist Ihnen in den Sinn gekommen, dass das für einzelne Personen eine Steuererhöhung darstellen könnte.

 

(Ina Lenke [FDP]: Fragen Sie doch einmal Ihre Ministerin!)

 

Dann haben Sie es wieder herausgestrichen. Wir befanden uns lange in einem Boot.

 

(Carl-Ludwig Thiele [FDP]: Das hatte die FDP nie in ihrem Programm!)

 

- Herr Thiele, ich weiß das genau.

 

(Nicolette Kressl [SPD]: Wahrscheinlich hat es der Herr Thiele wieder herausgenommen!)

 

Lassen Sie mich mit einem Zitat aus der Begründung des CEDAW-Abkommens schließen; denn auf die Friedenspolitik im Zusammenhang mit Frauen bin ich überhaupt nicht eingegangen. Wir haben gestern im Rahmen einer Umfrage zur Kenntnis nehmen können, dass 94 Prozent der Frauen gegen einen Kriegseinsatz sind. Auch in diesem Zitat aus dem CEDAW-Abkommen wird auf die Friedenspolitik eingegangen. Dort heißt es:

 

Voraussetzung für die vollständige Entwicklung eines Landes, für das Wohlergehen der Welt und für die Sache des Friedens ist die größtmögliche und gleichberechtigte Mitwirkung der Frau in allen Bereichen.

 

Dem habe ich nichts hinzuzufügen.

 

Ich danke Ihnen.

 

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)

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