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Irmingard Schewe-Gerigk, Schutz der Intimsphäre

Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer:

 

Das Wort hat jetzt die Abgeordnete Irmingard Schewe-Gerigk.

 

Irmingard Schewe-Gerigk (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

 

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Kollege van Essen hat gerade darauf hingewiesen: Vor einem Jahr hatten wir eine ähnliche Debatte. Schon damals wurde über den Tätigkeitsbericht des Bundesbeauftragten für den Datenschutz gesprochen. Sinngemäß steht darin: Wer sich bewusst der Öffentlichkeit entzieht, muss oder soll sich darauf verlassen können, dass von ihm ohne Einwilligung keine Aufnahmen gemacht werden und auch keine Aufnahmen in der Öffentlichkeit verbreitet werden.

 

Mit dieser Formulierung wird ein Aspekt des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung beschrieben. Sie alle wissen, dass wir Grüne dem Recht auf informationelle Selbstbestimmung große Bedeutung beimessen. Wir haben uns immer für den Datenschutz und auch für die Achtung der Privatsphäre eingesetzt. Für uns handelt es sich hier sozusagen um ein Heimspiel. Deshalb versteht es sich für uns von selbst, dass wir den Bericht des Bundesbeauftragten ernst nehmen. Dementsprechend lautet die gute Nachricht, Herr Kollege van Essen: Wir haben Sympathie für das Anliegen, das Ihrem Antrag zugrunde liegt.

 

Leider muss ich unmittelbar auch eine schlechte Nachricht anschließen: Unsere Sympathie für Ihr Bemühen um den Schutz der Privatsphäre hält sich leider in Grenzen. Zu frisch ist bei uns noch die Erinnerung an die Zeiten, in denen Sie als Regierungspartei das Grundrecht auf Unverletzbarkeit der Wohnung mit dem großen Lauschangriff mit Füßen getreten haben.

 

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Zuruf von der CDU/CSU: Das war ein Fortschritt!)

 

Die Folge war: Die Justizministerin hat ihr Amt aufgegeben. Seitdem hat ja auch nicht etwa ein Gesinnungswandel bei den Liberalen stattgefunden. Deutschland ist bereits jetzt Weltmeister im Abhören. Diesen Titel haben wir - leider, muss ich sagen - der FDP zu verdanken.

 

(Jörg van Essen [FDP]: Das ist doch schlimmer Unsinn und Sie wissen, dass es Unsinn ist!)

 

Das hindert jedoch auch die rheinland-pfälzische Landesregierung nicht daran, in ihrem aktuellen Entwurf zum neuen Polizeigesetz mit tatkräftiger Unterstützung der FDP

 

(Klaus Haupt [FDP]: Wer hat Ihnen das aufgeschrieben?)

 

die Ausweitung der polizeilichen Befugnisse bei der Telekommunikationsüberwachung und beim Lauschangriff zu betreiben.

 

(Jörg van Essen [FDP]: Ich dachte, der Innenminister würde von der SPD gestellt! Sie koalieren doch mit denen!)

 

Liebe Kolleginnen und Kollegen, machen wir uns nichts vor: Vor diesem Hintergrund ist die Ungeduld, mit der die FDP diesen Antrag im Namen des Schutzes der Privat sphäre erneut eingebracht hat, wenig überzeugend.

 

Das Strafrecht muss immer Ultima Ratio der Rechtsordnung sein. Wenn wir in die Begründung zu dem Gesetzentwurf schauen, stellen wir fest, dass sie wenig aufschlussreich ist. Wir sind in diesem Fall nicht davon überzeugt, dass die bestehenden rechtlichen Mittel nicht ausreichen. Es gibt für die Betroffenen schon jetzt eine Reihe von rechtlichen Mitteln, mit denen sie sich zur Wehr setzen können; der Kollege Kauder hatte vorhin an einige erinnert. Es stehen zivilrechtliche Beseitigungs- und Unterlassungsansprüche sowie Schadensersatz- und Schmerzensgeldansprüche zur Verfügung. Zudem gibt es die Strafvorschrift in § 33 des Kunsturhebergesetzes, die, wie Herr Kauder ja vorhin erwähnte, das Veröffentlichen von Abbildungen ohne Einwilligung des Abgebildeten unter Strafe stellt.

 

(Jörg van Essen [FDP]: Aber nur das Veröffentlichen!)

 

Schließlich scheint mir die von Ihnen vorgeschlagene Strafvorschrift an vielen Stellen nicht ganz ausgegoren. Die bereits erwähnte Vorschrift im Kunsturhebergesetz stellt die schwerwiegendste Verletzung des Persönlichkeitsrechts unter Strafe.

 

(Jörg van Essen [FDP]: Deswegen will das Bundesjustizministerium eine sehr ähnliche!)

 

Nun wollen Sie nicht nur das Veröffentlichen bestrafen, sondern auch das Herstellen einer Bildaufnahme, und nicht nur das: Sie wollen auch noch den Versuch der Herstellung unter Strafe stellen.

 

(Jörg van Essen [FDP]: Wie der Bundesbeauftragte für Datenschutz vorgeschlagen hat!)

 

Der Herr Staatssekretär hat gerade anhand des Beispiels mit den Sumpfrallen - die habe ich erst jetzt kennen gelernt, aber es ist ja gut, dass man jeden Tag dazulernt - deutlich gemacht, wie schwer es ist, so etwas überhaupt zu machen.

 

(Jörg van Essen [FDP]: Warum schlägt es denn der Bundesbeauftragte für Datenschutz vor?)

 

- Jetzt habe ich das Wort, Herr Kollege. - Damit sich nicht jeder, der mit einer Kamera im Park oder in einem Wohngebiet spazieren geht, dem Verdacht einer strafbaren Handlung aussetzt, wollen Sie den Anwendungsbereich des Tatbestandes wieder eingrenzen. Dafür wollen Sie einen neuen unbestimmten Rechtsbegriff einführen, der, wie Sie selbst sagen, bisher nicht in der Gesetzgebung auftaucht. Die Begründung dafür liefern Sie auch gleich mit, indem Sie sagen, die abstrakte Umschreibung der Intimsphäre sei nicht möglich. Ich halte es nicht für sinnvoll - da stimme ich ausdrücklich dem Herrn Kollegen Kauder zu -, hier einen neuen Begriff, nämlich den der Intim sphäre, einzuführen.

 

Wir wollen keinen Straftatbestand, der eine Vielzahl von Alltagssituationen erfasst, deren Strafwürdigkeit fraglich ist, und der in der Praxis auch nicht handhabbar ist. Stattdessen wollen wir genau prüfen, ob ein zusätzlicher § 201 a Strafgesetzbuch nötig ist. Dies werden wir mit Bedacht tun. Den geeigneten Rahmen dazu stellt die Überarbeitung des Besonderen Teils des Strafgesetzbuchs dar, die die Koalition noch in dieser Legislaturperiode vornehmen wird. Dabei wird das sicher ein wichtiger Punkt sein. Ich freue mich schon sehr auf die Ausschussberatungen.

 

Vielen Dank.

 

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)

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