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Irmingard Schewe-Gerigk, Versorgungsausgleich

Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer:

 

Das Wort hat jetzt die Abgeordnete Irmingard Schewe-Gerigk.

 

Irmingard Schewe-Gerigk (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

 

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Mit Verlaub, Frau Widmann-Mauz, der Titel Ihres Antrags: "Versorgungsausgleich umgehend regeln - Keine Schlechterstellung für Frauen bei der Alterssicherung" vermittelt den Eindruck, als beabsichtige die Bundes regierung eine Neuregelung des Versorgungsausgleichs zulasten der Frauen. Sie wissen ganz genau: Das ist nicht der Fall. Fakt ist: Die bestehende Regelung, die es immerhin seit 1977 gibt, geht oft zulasten der Frauen. Das werden wir schleunigst ändern. Die Ministerin hat es gerade angesprochen.

 

Wo liegt das Problem? - Die Barwertverordnung, die als Umrechnungstabelle benutzt wird, um dynamische Rentenansprüche, also die der gesetzlichen Rentenversicherung, gegenüber nicht dynamischen wie Betriebsrenten oder Leistungen aus berufsständischen Versorgungswerken wie bei Architektenkammern oder Ähnlichem vergleichbar zu machen, führte in ihrer Anwendung häufig zu Verzerrungen und zum Teil zu erheblichen Leis tungskürzungen bei den geschiedenen Anspruchsberechtigten. Das waren in der Hauptsache eher Frauen.

 

Durch diesen Transfer gingen im Einzelfall bis zu 70 Prozent des Nominalwerts verloren. Genau das hat der Bundesgerichtshof beanstandet und die Anwendung der Barwertverordnung ab 1. Januar 2003 untersagt. Natürlich hätte schon jetzt eine Regelung in Kraft sein können. Aber, verehrte Kolleginnen und Kollegen von der CDU/

 

CSU, Schadenfreude auf Ihrer Seite ist überhaupt nicht angebracht. Das Problem ist lange bekannt. Schon 1984 wollte die damalige Bundesregierung das Verfahren ändern; sie hat es bis 1998 nicht getan. Wir werden das jetzt machen, aber das braucht natürlich Zeit.

 

Die Ministerin hat gerade darauf hingewiesen, wie kompliziert das System ist. Nach der Barwertverordnung werden in die Berechnung natürlich biologische Daten wie die durchschnittlichen Angaben für das Lebensalter, Sterbetafeln usw. einbezogen. Da die Anwendung einer veralteten Umrechnungstabelle zu ungerechten Verzerrungen geführt hat, müssen wir die Tabelle jetzt endlich anpassen.

 

Die Ministerin hat ausgeführt, dass derzeit ein rentenmathematisches Modell erstellt wird. Mit den Ergebnissen rechnen wir sehr bald. Wenn die Bundesländer zustimmen - das sage ich an die Adresse der CDU/CSU -, kann die neue Verordnung in der Tat noch vor der Sommerpause veröffentlicht werden.

 

Der Versorgungsausgleich ist ein sehr komplexes und schwieriges Rechtsgebiet. Das zeigt sich auch darin, dass seit In-Kraft-Treten immer wieder Korrekturen aufgrund verfassungsgerichtlicher Vorgaben notwendig wurden. Der Versorgungsausgleich muss über die sehr unterschiedlichen Systeme der Rentenversicherung und Altersvorsorge hinweg für einen gerechten Ausgleich zwischen den geschiedenen Ehegatten sorgen. Zudem muss der Versorgungsausgleich aber auch gewährleisten, dass bereits zum Zeitpunkt der Scheidung die Ansprüche gerecht und transparent zwischen den ehemaligen Ehegatten geregelt werden können. Die besondere Schwierigkeit besteht darin - das liegt auf der Hand -, dass zum Zeitpunkt der Scheidung das Renteneintrittsalter häufig noch in weiter Ferne liegt und daher verlässliche Aussagen über die

 

in Jahrzehnten zu gewährenden Vorsorgeleistungen nur schwer möglich sind.

 

Der Druck für eine generelle Reform des Versorgungsausgleichs ist erkennbar vorhanden. Das Ministerium

 

arbeitet - so haben wir gerade gehört - seit längerem an einer Strukturreform. Es hat ein versicherungsmathematisches Gutachten in Auftrag gegeben, dessen Ergebnisse wir sicherlich noch vor der Sommerpause erwarten können.

 

Meine Fraktion sieht die Lösung des Problems nicht nur in der Anpassung der Barwertverordnung, die jetzt übergangsweise notwendig ist, sondern in einer generellen Reform des Versorgungsausgleichs. Ziel muss es sein, gemeinsam mit den Versorgungsträgern praktikable und gerechte Regelungen für geschiedene Ehegatten zu finden, die eine eigenständige Altersvorsorge auch derjenigen Frauen und Männer absichern - da sind wir sehr nahe bei Ihnen, Frau Widmann-Mauz -, die sich in der Ehe für einen gewissen Zeitraum ausschließlich der Familienarbeit widmen oder einer niedriger entlohnten Teilzeitarbeit nachgehen. In diesem Punkt stimme ich ganz mit Ihnen überein. Ziel der Strukturreform muss es aber auch sein, dass die Ehegatten bereits zum Zeitpunkt der Scheidung über ihre Ansprüche informiert werden, damit spätere Streitigkeiten, oft nach Jahrzehnten, vermieden werden können und die ehemaligen Ehegatten nicht in ihrer Planung für die Altersvorsorge behindert werden.

 

Der Zugang zu den Versorgungsleistungen muss auch unabhängig möglich werden - da gebe ich Ihnen Recht; das haben Sie vorhin vorgetragen -; denn es ist schon ein Problem, wenn eine geschiedene Ehefrau auf Leistungen warten muss, bis der ehemalige Ehegatte Rente bezieht. Wir möchten, dass der Versorgungsanspruch nicht erst fällig wird, wenn auch der ehemalige Ehepartner das Rentenalter erreicht hat. Für uns sind Regelungen durch Realteilung der Versorgungsleistungen denkbar, nach denen die erworbenen Rentenansprüche grundsätzlich gegenüber dem Versorgungsträger ausgeglichen würden.

 

Wenn wir einen entsprechenden Gesetzentwurf vorlegen - ich denke, das wird Mitte des Jahres sicherlich möglich sein -, würden wir Sie sehr gern beim Wort nehmen. Wir hoffen, dass wir einen solchen Entwurf dann gemeinsam verabschieden können. Das ist sicherlich auch im Interesse derjenigen, die das Geld tatsächlich brauchen. Leider sind das in der Hauptsache immer noch die Frauen.

 

Ich danke Ihnen.

 

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)

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