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Menschenhandel bekämpfen – Opferrechte weiter ausbauen

Deutscher Bundestag

16. Wahlperiode

Antrag

der Abgeordneten Irmingard Schewe-Gerigk, Joseph Philip Winkler, Monika Lazar, Dr. Uschi Eid, Thilo Hoppe, Ute Koczy, ´Jerzy Montag, Winfried Nachtwei, Claudia Roth, Rainder Steenblock, Silke Stokar von Neuforn, Hans-Christian Ströbele, Jürgen Trittin, Wolfgang Wieland und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

 

Menschenhandel bekämpfen – Opferrechte weiter ausbauen

 

Der Bundestag wolle beschließen:

 

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

 

Menschenhandel ist in erster Linie Frauenhandel. Laut einer Schätzung der International Labour Organisation sind ca. 70 Prozent aller Opfer von Menschenhandel Opfer sexueller Ausbeutung. In den meisten Fällen handelt es sich um den „Verkauf“ von Frauen in die Zwangsprostitution. Mehr und mehr werden sie aber auch in andere Ausbeutungsverhältnisse „vermittelt. Unabhängig davon, zu welchem Zweck Menschen verkauft und ausgebeutet werden: Menschenhandel ist ein schwerwiegender Verstoß gegen die Menschenrechte.

 

Für die Händler ist es ein lukratives Geschäft, die Gewinne sind hoch, die Risiken gering. Konkrete Zahlen liegen kaum vor. Laut Lagebericht des Bundeskriminalamts wurden im Jahr 2004 972 Opfer von Menschenhandel in Deutschland registriert. Allerdings werden viele Opfer in der Statistik nicht als Menschenhandelsopfer sondern unter anderen Deliktgruppen (z.B. Körperverletzung oder Schleusung) erfasst. Zudem muss von einer hohen Dunkelziffer ausgegangen werden, da zur Aufdeckung von Menschenhandel erhebliche Ermittlungen erforderlich sind.

 

Entscheidend für einen erfolgreichen Kampf gegen den Menschenhandel ist die Stärkung der Position der Opfer. Dafür müssen wir die Opferrechte dringend weiter ausbauen. Es kann nicht weiter angehen, dass Aufenthaltsrechte ebenso wie Möglichkeiten der Ausbildung oder Arbeitsaufnahme von jedem Bundesland nach eigenem Ermessen vergeben werden. Es ist unsere humanitäre Pflicht, die Frauen, die eine derartige Menschenrechtsverletzung erlitten haben, zu stärken und zu unterstützen. Opferrechte sind aber auch für die Strafverfolgung relevant. Das Risiko der Menschenhändler steigt mit der Aussagebereitschaft der Frauen. Jeder Anreiz für die Frauen, sich diesem oftmals riskanten und anstrengenden Prozess auszusetzen, ist auch ein Beitrag zur Verfolgung der Täter.

 

II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf

 

1. Im Bereich des Aufenthaltsrechts

 

a. Opfern von Menschenhandel regelmäßig eine Bedenkzeit von bis zu sechs Monaten einzuräumen, in der sie entscheiden können, ob sie mit den Ermittlungsbehörden zusammenarbeiten wollen.

 

b. Traumatisierten Opfern von Menschenhandel einen Anspruch auf medizinische Behandlung zu gewähren.

 

c. Opfern von Menschenhandel von einer Verteilung gem. §15a des Aufenthaltsgesetzes auszunehmen.

 

d. Nach Ablauf der Bedenkfrist Opfern von Menschenhandel eine befristete Aufenthaltserlaubnis von mindestens sechs Monaten zu erteilen, wenn sie entweder zur Zusammenarbeit mit den Behörden bei den Ermittlungen bereit sind oder der Verbleib des Opfers aufgrund seiner persönlichen Situation erforderlich ist.

 

e. Opfern von Menschenhandel einen gleichrangigen Zugang zum Arbeitsmarkt, zu Bildung und Ausbildung, zu Maßnahmen der beruflichen Qualifizierung sowie zu Sprach- und Orientierungskursen zu gewähren.

 

f. In Härtefällen Opfern von Menschenhandel auch über das Strafverfahren hinaus ein Aufenthaltsrecht zu erteilen.

 

g. Vor der Rückführung gehandelter Menschen in ihr Herkunftsland obligatorisch den Rat einer Beratungsstelle einzuholen. Gegen Bedenken der Beratungsstelle gegen eine Rückführung darf nur in nachprüfbar begründeten Ausnahmefällen gehandelt werden.

 

h. Minderjährige Opfer von Menschenhandel bei der Umsetzung der Opferschutzrichtlinie besonders zu berücksichtigen.

 

2. In weiteren Rechtsbereichen

 

a. Einen Gesetzentwurf vorzulegen, um in § 53 der Strafprozessordnung ein Zeugnisverweigerungsrecht für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von anerkannten Fachberatungsstellen für Opfer von Menschenhandel aufzunehmen.

 

b. Im Rahmen der Gesamtreform der Telekommunikationsüberwachung zu Zwecken der Strafverfolgung zügig einen Gesetzentwurf vorzulegen, der die Lücken bei der Zulässigkeit der Anordnung von Telefonüberwachung in Fällen des Menschenhandels schließt.

 

c. Ein Konzept zu der Frage vorzulegen, wie abgeschöpfte und an den Staat fallende Gewinne aus dem Menschenhandel zur Unterstützung und Beratung der Opfer ausgegeben werden.

 

3. Auf Bundes- und Landesebene

 

a. Sicherzustellen, dass die Länder die Finanzierung der spezialisierten Beratungsstellen auskömmlich gewährleisten.

 

b. Justiz und Verwaltung weiter für die Situation der Betroffenen des Menschenhandels zu schulen und zu sensibilisieren.

 

c. Zu prüfen, ob das Kooperationskonzept für die Zusammenarbeit zwischen Polizei und Beratungsstelle flächendeckend umgesetzt ist und sich gegebenenfalls für entsprechende Schritte einzusetzen.

 

4. Auf internationaler Ebene

 

a. Eine europaweite Notrufnummer als Anlaufstelle für Opfer von Frauenhandel einzurichten.

 

b. Auf internationaler Ebene die Zusammenarbeit weiter zu verstärken. Die bereits bestehenden Möglichkeiten von Europol und Eurojust müssen konsequenter von allen Ländern genutzt werden. Hierzu gehören eine Verbesserung des Informationsflusses und eine verstärkte Einbeziehung von Europol in nationale Ermittlungen.

 

c. Die bi- und multilaterale polizeiliche Zusammenarbeit beim Frauenhandel weiter zu intensivieren. Besonders wichtig ist es hierbei, bereits in den Herkunftsländern den Menschenhandel zu bekämpfen.

 

d. An den EU-Außengrenzen verstärkte Anstrengungen zu unternehmen, um potenzielle Opfer von Menschenhandel, insbesondere unbegleitete Minderjährige, besser zu erkennen.

 

e. Dafür Sorge zu tragen, dass die deutschen Botschaften bei der Visavergabe auch Hinweise auf die Gefahren sexueller Ausbeutung bereithalten.

 

f. Mit Armutsbekämpfung und Aufklärungskampagnen in den Herkunftsländern einem präventiven Ansatz zu folgen.

 

g. Die Unterstützungsmöglichkeiten für freiwillig zurückkehrende Opfer von Frauenhandel über die bisherigen finanziellen Starthilfen hinaus auszuweiten.

 

III. Begründung:

 

1. Allgemein

 

Um Menschenhandel zu bekämpfen, genügt es nicht, sich allein auf die Strafverfolgung zu konzentrieren. Es bedarf eines umfassenden Konzepts, das Prävention, Verfolgung und Opferschutz gleichermaßen berücksichtigt. In den letzten Jahren hat die damalige rot-grüne Bundesregierung eine ganze Reihe von Maßnahmen ergriffen und angestoßen, mit denen sie die Situation der Opfer verbessert und die Verfolgung der Täter erleichtert hat:

 

Im Dezember 2004 hat der Bundestag eine umfassende Reform der Straftatbestände gegen Menschenhandel beschlossen, mit der internationale und EU-Vorgaben in deutsches Recht umgesetzt wurden. Unter anderem wurde die Verfolgung der Schleuser und ihrer Hintermänner erleichtert, die Rechte der Opfer wurden gestärkt.

 

Das Opferrechtsreformgesetz, seit dem 1. September 2004 in Kraft, bringt Verbesserungen in Strafverfahren. Insbesondere sind künftig auch die Opfer in weiterem Umfang als bisher zur Nebenklage berechtigt und dadurch mit besonderen Mitwirkungsrechten ausgestattet.

 

Einige wichtige Verbesserungen der damaligen rot-grünen Bundesregierung für die Opfer von Menschenhandel werden bis heute durch Verwaltungsvorschriften aus dem Bundesinnenministerium konterkariert: Zum einen wurde im Zuwanderungsgesetzes die Möglichkeit geschaffen, dass Opfer von Menschenhandel für die Dauer der Teilnahme an einem Strafverfahren eine befristete Aufenthaltserlaubnis erhalten können. Aber vorläufige Anwendungshinweise zum Gesetz verhindern diese Möglichkeit de facto. Dagegen hat die bündnisgrüne Fraktion bereits am 24. 1. 2006 den Entwurf eines Gesetzes zur Verbesserung der sozialen Situation von Ausländerinnen und Ausländern, die ohne Aufenthaltsstatus in Deutschland leben (Drs. 16/445) eingebracht.

 

Bis zum Inkrafttreten des Zuwanderungsgesetzes sorgten Anwendungshinweise zum Aufenthaltsgesetz dafür, dass die Bundesländer den Opferzeuginnen eine Arbeitserlaubnis und zumindest einen vierwöchigen Abschiebeschutz gewähren mussten. Diese Verwaltungsvorschriften wurden vom Bundesministerium des Innern bei der Abfassung der vorläufigen Anwendungshinweise zum Zuwanderungsgesetz nicht übernommen. Auch entsprechende EU-Vorgaben – sowohl durch die EU Opferschutzrichtlinie vom 29.4.2004 (2004/81/EG) als auch durch die von Deutschland unterzeichnete Europaratskonvention zur Bekämpfung des Menschenhandels vom Mai 2005 – wurden bisher nicht umgesetzt. Daher agieren die Bundesländer derzeit höchst unterschiedlich. In einigen Ländern werden die Frauen in ihrer Rolle als Zeuginnen im Strafverfahren gegen die Täter sehr unterstützt, in anderen wird ihnen nicht einmal die Bedenkfrist gewährt. Diese Situation ist nicht haltbar, sichere und flächendeckend Opferrechte sind erforderlich.

 

Auch unterhalb der gesetzlichen Ebene hat die rot-grüne Regierung zahlreiche Maßnahmen ergriffen, um die Opfer in ihrer schwierigen Situation zu stärken, und Anreize geschaffen, damit sie gegen die Menschenhändler aussagen. Dazu gehören Schulungen von AkteurInnen, die mit den Opfern Kontakt haben, z.B. von Behörden oder der Polizei. Auch wurden Informationsmaterialien für Frauen in den Herkunftsländern herausgegeben, die durch Nichtregierungsorganisationen und die deutschen Botschaften verteilt werden. Für die Zusammenarbeit zwischen Polizei und Beratungsstellen wurde ein Kooperationskonzept erstellt, das viele Bundesländer inzwischen übernommen haben. Das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) richtete 1999 das Koordinierungsbüro des bundesweiten Koordinierungskreises gegen Frauenhandel und Gewalt an Frauen im Migrationsprozess (KOK) ein.

 

2. Zu den Maßnahmen im Bereich des Aufenthaltsrechts

 

Die Entscheidung darüber, ob sie als Zeuginnen in einem Strafverfahren gegen die Täter auszusagen bereit sind, wiegt für das persönliche Schicksal der Opfer schwer. Oftmals sind sie traumatisiert und brauchen Zeit, um von dem Erlebten Abstand zu gewinnen. Für ihre Entscheidung muss ihnen daher eine angemessene Erholungs- und Bedenkzeit zugestanden werden. Auch die von der Bundesregierung umzusetzende EU-Opferschutzrichtlinie vom 29.4.2004 (2004/81/EG) fordert dies in Artikel 6: „Die Mitgliedstaaten sorgen dafür, dass den betroffenen Drittstaatsangehörigen Bedenkzeit zugestanden wird, in der sie sich erholen und dem Einfluss der Täter entziehen können, so dass sie eine fundierte Entscheidung darüber treffen können, ob sie mit den zuständigen Behörden zusammenarbeiten.“ In dieser Bedenkzeit sollen die Opfer gemäß Artikel 7 der Opferschutzrichtlinie Mittel zur Sicherstellung ihres Lebensunterhalts ebenso erhalten wie den Zugang zu medizinischer Notversorgung einschließlich angemessener psychologischer Hilfe. Die Dauer dieser Bedenkzeit können die Mitgliedstaaten selber festlegen. Wir halten es für sinnvoll, hier dem Vorschlag von KOK zu folgen, der eine Bedenkzeit von bis zu sechs Monaten empfiehlt.

 

Nach § 15 a AufenthG werden unerlaubt eingereiste AusländerInnen auf die Länder verteilt. Betroffene von Menschenhandel sind oftmals illegal in die Bundesrepublik Deutschland gekommen. Der Stellungnahme von KOK zum Referentenentwurf des Bundesinnenministeriums zur Umsetzung der Opferschutzrichtlinie zufolge ist die Verteilung für die Opfer von Menschenhandel sehr nachteilig. Die Frauen brauchen einen geschützten Raum, der in Gemeinschaftsunterkünften naturgemäß nicht gegeben ist. Ebenso ist eine qualifizierte psycho-soziale Betreuung dort nicht möglicht. Da pro Bundesland meist nur eine zentrale Einrichtung besteht, sind die Frauen in hohem Maße gefährdet, da die Täter sie dort leicht ausfindig machen können. Die bestehende Praxis widerspricht auch der Eu-Opferschutzrichtlinie, nach der diesen Menschen „in Anbetracht ihrer Schutzbedürftigkeit“ ermöglicht werden soll „sich zu erholen und dem Einfluss der Täter zu entziehen.“ Ebenso ist „den Sicherheits- und Schutzbedürfnissen der Opfer des Menschenhandels gebührend Rechnung zu tragen“.

 

Art. 8 Abs. 2 der Opferschutzrichtlinie schreibt dem nationalen Gesetzgeber vor, den Opfern von Menschenhandel ein Aufenthaltsrecht zu erteilen, wenn das Opfer „seine Bereitschaft zur Zusammenarbeit eindeutig bekundet hat“. Diese Aufenthaltserlaubnis ist auf eine Frist von mindestens sechs Monaten festzusetzen und zu verlängern, sofern die Voraussetzungen für die erstmalige Erteilung weiterhin vorliegen. Nach Abschluss eines Strafverfahrens ist die Aufenthaltserlaubnis zumindest für den Zeitraum zu verlängern, der für die Planung und Durchführung einer sicheren Rückkehr in das Herkunftsland erforderlich ist. Artikel 14 der von der Bundesrepublik Deutschland unterzeichneten Europaratskonvention zur Bekämpfung des Menschenhandels sieht den Aufenthaltstitel außerdem vor, „wenn die zuständige Behörde der Auffassung ist, dass der Verbleib des Opfers aufgrund seiner persönlichen Situation erforderlich ist.“ Dies kann sich aus gesundheitlichen Gründen wie aus der Gefährdungssituation im Herkunftsland ergeben.

 

Die Opfer erweisen dem Staat mit ihrer Aussage einen wertvollen Dienst. Da sich die Prozesse oft über mehrere Jahre hinziehen, muss es den Frauen möglich sein, in dieser Zeit eine neue Perspektive zu entwickeln. Artikel 12 der EU-Opferschutzrichtlinie sieht für die Opfer von Menschenhandel einen Anspruch auf Zugang zu Maßnahmen für die Rückkehr in ein normales soziales Leben vor, einschließlich Lehrgängen zur Verbesserung der beruflichen Fähigkeiten. Auch sollte den Opfern Zugang zu den Sprach- und Orientierungskursen des Aufenthaltsgesetzes gewährt werden. Weiterhin ist der Zugang zum öffentlichen Bildungssystem gewährleisten, dies gilt in besonderem Maße für minderjährige Opfer.

 

3. Zu den Maßnahmen in weiteren Rechtsbereichen

 

Bei der Information und Betreuung der Menschenhandelsopfer kommt den Fachberatungsstellen eine zentrale Rolle zu. Die Opfer scheuen oft den Kontakt zur Polizei. Den nicht-staatlichen Fachberatungsstellen bringen sie eher Vertrauen entgegen. In der Praxis stellt sich jedoch das Problem, dass die Mitarbeiterinnen, die in der Regel staatlich anerkannte Sozialarbeiterinnen sind und der Schweigepflicht unterliegen, kein der Schweigepflicht korrespondierendes Zeugnisverweigerungsrecht nach § 53 der Strafprozessordnung haben. Dies ist für den Aufbau eines Vertrauensverhältnisses sehr hinderlich. Denn die Opfer geben nicht nur Einzelheiten aus ihrer Intimsphäre (Tätigkeit als Prostituierte, Vergewaltigungen) preis, sondern müssen eventuell auch eigenes strafbares Verhalten (illegale Einreise, illegale Arbeit) offenbaren. Ein Zeugnisverweigerungsrecht für die MitarbeiterInnen würde die vertrauensvolle Zusammenarbeit und damit auch die Entscheidung für eine Aussage im Prozess erleichtern.

 

Menschenhandel findet meist in Strukturen Organisierter Kriminalität statt, die mit offenen Ermittlungsmethoden schwer zu durchbrechen sind. Die Überwachung und Aufzeichnung von Telefongesprächen spielt in der Praxis bei Menschenhandelsverfahren eine große Rolle. Bisher darf die Telekommunikationsüberwachung jedoch nur bei schwerem Menschenhandel angeordnet werden, nicht aber bei einfachem Menschenhandel. Diese Lücke muss geschlossen werden.

 

Die kriminellen Gewinne aus dem Menschenhandel dürfen nicht bei den Tätern verbleiben. Die Bundestagsfraktion Bündnis 90 / Die Grünen begrüßt daher Ansätze, das System der Vermögensabschöpfung bei Straftaten zu verbessern. Der erste Schritt ist der Entwurf der Bundesregierung für ein Gesetz zur Stärkung der Rückgewinnungshilfe und der Vermögensabschöpfung bei Straftaten (BT-Drs. 16/700), der noch unter der rot-grünen Regierung ausgearbeitet wurde. Hierbei dürfen wir aber nicht stehen bleiben. Wo die kriminellen Gewinne nicht den Opfern ausgezahlt werden können und dem Staat zufallen, muss dieser sie zumindest teilweise wieder den Opfern zugute kommen lassen, in dem er sie für Betreuung und Unterstützung der Menschenhandelsopfer einsetzt. Hierbei ist eine mit den Ländern abgestimmte Lösung zu finden.

 

4. Zu den Maßnahmen auf Bundes- und Landesebene

 

Ohne die Beratungsstellen für Opfer von Menschenhandel wäre die Identifizierung der Opfer, ihre Beratung, ihre psychosoziale Versorgung und Unterstützung nicht zu gewährleisten. Die Praxis vieler Bundesländer, die finanzielle Unterstützung dieser Stellen immer weiter kürzen, ist daher äußerst kontraproduktiv für die Bekämpfung des Menschenhandels. Es ist im Interesse des Bundes, sich für den Erhalt der Beratungsstellen einzusetzen. Justiz und Behörden müssen besser geschult werden. Dazu gehört das Bewusstsein der menschenrechtlichen Dimension von Menschenhandel, eine genderspezifische Herangehensweise aufgrund der überwiegend weiblichen Opfer sowie die Berücksichtigung aller prozessualen Opferschutzmöglichkeiten, um z.B. ein Zusammentreffen von Opfer und Tätern zu vermeiden. Auch die Kooperation zwischen Beratungsstellen und Polizei ist in einigen Bundesländern noch verbesserungswürdig.

 

5. Zu den Maßnahmen auf internationaler Ebene

 

Die Ursachen des Menschenhandels sind vielfältig. Zugrunde liegen vor allem die Armut und der Mangel an Perspektiven in den Herkunftsländern und die Nachfrage in den Zielländern. Dazu kommen oft schwerwiegende Verletzungen der Menschenrechte in den Herkunftsländern, die für viele Frauen Auslöser ihrer Entscheidung zur Migration sein können. Die Möglichkeit, in Deutschland zu arbeiten oder auch vorübergehend der Prostitution nachgehen zu können, erscheint vielen Frauen als Verbesserung ihrer Lebenssituation. Hier muss bereits präventiv angesetzt werden. In den Herkunftsländern müssen Armutsbekämpfung und die Schaffung von Perspektiven, gerade für die potenziellen Opfer, von den Zielländern deutlich stärker unterstützt werden. Auch Information und Öffentlichkeitsarbeit spielen eine wichtige Rolle im Kampf gegen den Menschenhandel. Die internationale Verbrechensbekämpfung muss schon in den Herkunftsländern ansetzen und die grenzüberschreitende Zusammenarbeit verstärkt werden.

Freiwillig zurückkehrende Opfer bedürfen noch besserer Unterstützung als bisher. Längerfristige Reintegrationsmaßnahmen im Heimatland, wie sie beispielsweise vom Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit oder der International Organisation for Migration durchgeführt werden, bieten den Betroffenen eine Zukunftsperspektive.

 



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