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Persönliche Erklärung der Abgeordneten zur Abstimmung über das Haushaltsgesetz zum Thema Steinkohlesubventionen

 

Persönliche Erklärung der Abgeordneten zur Abstimmung über das Haushaltsgesetz zum Thema Steinkohlesubventionen

 

Anlässlich der dritten Lesung des Haushaltsgesetzes werden 40 Abgeordnete der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen am morgigen Freitag eine persönliche Erklärung zur Subvention der deutschen Steinkohleförderung abgeben.

 

Anbei schicken wir Ihnen den Text der Erklärung.

 

 

 

Persönliche Erklärung der Abgeordneten

 

Michaele Hustedt, Kerstin Andreae, Cornelia Behm, Birgitt Bender, Grietje Bettin, Alexander Bonde, Ekin Deligöz, Dr. Thea Dückert, Jutta Dümpe-Krüger, Franziska Eichstädt-Bohlig, Hans-Josef Fell, Anja Hajduk, Winfried Hermann, Antje Hermenau, Peter Hettlich, Ulrike Höfken, Thilo Hoppe, Fritz Kuhn, Markus Kurth, Undine Kurth, Dr. Reinhard Loske, Anna Lührmann, Jerzy Montag, Kerstin Müller, Winfried Nachtwei, Christa Nickels, Claudia Roth, Christine Scheel, Irmingard Schewe-Gerigk, Albert Schmidt, Werner Schulz, Petra Selg, Ursula Sowa, Rainder Steenblock, Silke Stokar, Dr. Antje Vogel-Sperl, Marianne Tritz, Dr. Antje Vollmer, Dr. Ludger Volmer und Josef Winkler

 

zur Abstimmung über das Haushaltsgesetz zum Thema Steinkohlesubventionen.

 

Zur Abstimmung über das Haushaltsgesetz 2004 möchten wir folgende Erklärung abgeben: Grundsätzlich stimmen wir dem Haushalt für 2004 zu, da er richtige Antworten in einer schwierigen gesamtwirtschaftlichen Lage gibt.

 

In einem Punkt des vorliegenden Gesetzes haben wir allerdings eine dezidiert andere Auffassung:

 

Von den im Bundeshaushalt vorgesehenen Mitteln zur Unterstützung des Steinkohlebergbaus geht das falsche Signal aus. Das Mindeste wäre eine Fortschreibung der Degression im Tempo der vergangenen Jahre. Stattdessen wird die Finanzierung eines dauerhaften Steinkohlesockels angestrebt. In einer Zeit, in der es parteiübergreifend einen Konsens über die Notwendigkeit der Haushaltskonsolidierung und damit auch über einen umfassenden Abbau von Subventionen gibt, sind Sonderregelungen für einzelne Sektoren in diesem Maße völlig inakzeptabel und nicht vermittelbar. Glaubwürdige Politik macht einen verstärkten Subventionsabbau auch bei der Steinkohle unverzichtbar.

 

Der Erhalt eines Steinkohlesockels auf hohem Niveau bindet langfristig knappe finanzielle Ressourcen. In jedem Einzelhaushalt herrscht ein rigides Sparkonzept, Bund und Länder sind zu einem flächendeckenden Subventionsabbau gezwungen, und allen Bevölkerungsgruppen werden schmerzhafte Einschnitte zugemutet. Unsere Politik wird in dem Moment inkonsistent, in dem wir gerade bei der Steinkohle eine Ausnahme machen, die definitiv keine Zukunftsinvestition ist, sondern eine Auslauftechnologie darstellt.

 

Es wäre vorausschauender, das Geld verstärkt in die Bereiche zu investieren, von denen Deutschland wirklich profitieren kann: in Forschung und Bildung!

 

Der Abbau deutscher Steinkohle ist für die Versorgungssicherheit in Deutschland nicht notwendig. Die Kohlevorräte sind weltweit in großem Umfang vorhanden und auf viele Länder (u.a. Südafrika, Polen, USA, Australien, Kolumbien ...) verteilt. Die Versorgung mit Kohle auf dem Weltmarkt ist damit mittelfristig zu deutlich günstigeren Preisen gesichert, als dies durch den deutschen Bergbau der Fall sein könnte.

 

Selbst wenn man argumentiert, dass die Zusage der Bundesregierung zur weiteren Subventionierung der Steinkohle klimapolitisch irrelevant ist, weil es der Erdatmosphäre gleichgültig ist, ob sie durch heimische oder Importkohle verschmutzt wird, halten wir die klima- und energiepoltischen Implikationen einer solchen Politik doch für fragwürdig: Zum einen sind diese Zusagen eingebettet in eine kohlepolitische Offensive, die mit den von uns angestrebten langfristigen Klimaschutzzielen unvereinbar ist. Zum anderen könnten mit den für die Kohlesubventionierung vorgesehenen Mitteln enorme Fortschritte bei der Modernisierung des Energiesystems erreicht werden: durch einen Mix aus Energieeffizienz, Energieeinsparung und Erneuerbaren Energien.

 

Die Folgen des Steinkohlebergbaus für Menschen und Umwelt am Niederrhein, im Saarland und in Westfalen sind sehr weitreichend. Deshalb regt sich auch in diesen Regionen heftiger Widerstand, den die Grünen vor Ort zu Recht unterstützen. Die gesellschaftlichen Kosten des Kohlebergbaus übersteigen längst ihren regional- und beschäftigungspolitischen Nutzen. Vor allem der geplante Kohlebergbau unter dem Rhein ist mit seinen für uns unabsehbaren Folgen inakzeptabel. Deshalb muss mit der Frage der Subventionen auch die Entscheidung über die Zechen fallen, die in der nächsten Zeit geschlossen werden müssen. Dies muss entlang ökologischer und finanzieller Kriterien geschehen. Zechen, die die größten Risiken für Mensch und Umwelt darstellen, müssen vorrangig geschlossen werden. An erster Stelle ist dabei die Zeche Walsum (Duisburg, NRW), die durch den Kohlebergbau unter dem Rhein große Risiken birgt, zu nennen. Dazu gehören aber auch Ensdorf (Saar) und West (Kamp Lintfort, NRW).

 

Eine verantwortungsvolle Entscheidung über die Fortführung der Steinkohlebeihilfe kann nur dann getroffen werden, wenn nicht nur die Beihilfen zur Steinkohleförderung, sondern alle Folgekosten transparenter gemacht werden. Dazu gehören:

 

* die Entscheidung, ob die so genannte Bugwelle (d. h. Mittel, die in der Finanzverpflichtung des Steinkohlebergbaugesetzes von 1997 enthalten sind, aber nicht komplett während der Laufzeit des Gesetzes ausgezahlt wurden) Teil der jetzt etatisierten Subventionen ist oder nicht; es handelt sich dabei um ca. 1,3 Milliarden Euro;

* die Offenlegung der Kosten aller Bergschäden, die nach der Schließung der einzelnen Zechenstandorte entstehen werden, und die Entscheidung darüber, wer diese Kosten zu tragen hat;

* die Offenlegung der Kosten, die durch die dauerhaften Umweltbelastungen u.a. durch Pumpleistungen entstehen werden, und die Entscheidung, wer diese Kosten zu tragen hat;

* die Zusammenstellung aller Strukturhilfen und Zahlungen für die Frühverrentung, um zu erkennen, welche Konsequenzen für die öffentliche Hand aus den Festschreibungen von Förderquoten entstehen.

 

Zudem ist noch offen, welchen Anteil die Bundesländer Saarland und NRW in Zukunft an der Subventionierung der Steinkohle tragen werden. Das Saarland hat erklärt, dass es keinen Anteil übernehmen wird. NRW möchte seinen Anteil deutlich reduzieren. Dies ist im Haushalt nicht berücksichtigt. Das legitime Interesse der Länder, weniger oder keine Mittel für den Steinkohlebergbau bereit zu stellen, darf weder dazu führen, dass die Bundesregierung die dadurch entstehenden Differenzen durch höhere Eigenbeiträge kompensiert, noch dass die Bundesländer entgegen ihrer eigenen souveränen Haushaltsplanung zu den Aufstockungen gezwungen werden.

 

Wir stimmen dem Haushalt zwar zu, aus den genannten Gründen haben aber die Regierungsfraktionen im Haushaltsausschuss die Verpflichtungsermächtigung für die Steinkohlebeihilfen gesperrt. Erst, wenn eine vollständige Bilanzierung vorliegt, wird auch hier eine solide Haushaltsentscheidung möglich.



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