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Frauen in Wissenschaft und Forschung stärken – Chancengleichheit auch als Wettbewerbsfaktor erhöhen

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

Deutschland verfügt über ein großes Potenzial an hoch qualifizierten Frauen.

Nach wie vor schlägt sich dieses hohe Qualifikationsniveau allerdings nicht in

einer gleichberechtigten Beteiligung von Frauen vor allem an Führungspositionen

in Wissenschaft und Forschung nieder.

Gleichberechtigung und Sicherstellung gleicher Chancen für Frauen und Männer

sind eine zentrale gesellschaftspolitische Zielsetzung und ein Gebot der

sozialen Gerechtigkeit. Darüber hinaus sind sie auch ein wichtiger Erfolgsfaktor

in der Wissensgesellschaft. Für Deutschland sind Wissen, Begabung und Kreativität

seiner Menschen von zentraler Bedeutung. Um im internationalen Wettbewerb

konkurrenzfähig zu bleiben, brauchen wir sehr gut ausgebildete Frauen

und Männer, die in der Lage sind, Spitzenleistungen zu erbringen. Bildung ist

der Schlüssel zum Arbeitsmarkt. Bildung ist darüber hinaus die Grundlage für

Spitzenforschung, aus der Ideen für neue Produkte und Konzepte für bessere

Verfahren oder innovative Dienstleistungen entstehen. Sie ist auch die Basis für

Existenzgründungen.

In der vergangenen und in der laufenden Legislaturperiode sind weit reichende

Anstrengungen zur Erhöhung des Anteils von Frauen in Wissenschaft und Forschung

auf allen Hierarchieebenen und insbesondere zur Erhöhung der Beteiligung

von jungen Frauen in naturwissenschaftlich-technischen Berufen und

Studiengängen unternommen worden. Die Ergebnisse dieser Bemühungen sind

deutlich erkennbar, wenn auch der gleichstellungspolitische Durchbruch noch

nicht erreicht wurde: Mittlerweile beginnen etwa genauso viele Frauen wie

Drucksache 15/5030 – 2 – Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode

Männer ein Studium. Der Frauenanteil lag im Wintersemester 2003/04 bei

47,8 Prozent. Im Jahr davor hatten erstmals mehr Frauen als Männer ein Studium

begonnen, ihr Anteil betrug 50,6 Prozent. Mit rund 97 000 Frauen beendeten

2003 im Vergleich zum Vorjahr 7,6 Prozent mehr Frauen erfolgreich ein

Hochschulstudium. Der Anteil von Frauen an den Promotionen ist seit 1998 von

33 Prozent auf mehr als 36 Prozent gestiegen. Der Frauenanteil sinkt allerdings

nach wie vor mit aufsteigender Qualifikationsstufe ab.

Deutliche Unterschiede werden auch bei der Fächerwahl sichtbar: Der Anteil

der Studienanfängerinnen in den Ingenieurwissenschaften betrug 2003/2004

rund 22 Prozent und erreichte in den Bereichen Mathematik und Naturwissenschaften

rund 40 Prozent. In den Fächern Elektrotechnik und Physik nimmt der

Frauenanteil allerdings kaum zu, in der Informatik ist er sogar rückläufig.

Frauen nehmen ihre Chancen in zukunftsträchtigen Berufs- und Studienfeldern

noch immer nicht ausreichend wahr, wenngleich auch eine positive Entwicklung

erkennbar ist. Die Zahl der neu abgeschlossenen Ausbildungsverträge in den

neuen IT-Berufen ist von rund 3 500 in 1999 auf über 6 800 in 2002 gestiegen.

Genauso verhält es sich bei den Ausbildungsverträgen in den zukunftsträchtigen

Medienberufen (1999: 4 100; 2002: 7 700). Allerdings ist der Anteil junger

Frauen an der Gesamtzahl der Auszubildenden in diesen Bereichen nach wie vor

deutlich zu gering. Noch immer entscheiden sich mehr als 50 Prozent der jungen

Frauen für nur 10 Ausbildungsberufe im kaufmännischen und Dienstleistungsbereich.

Im Bereich der Entscheidungs- und Führungspositionen an Hochschulen und Forschungseinrichtungen

ist nach wie vor eine eklatante Unterrepräsentanz von

Frauen zu verzeichnen. Zumindest in den Hochschulen ist allerdings Bewegung

erkennbar: Aktuell sind von den Professuren in Deutschland knapp 13 Prozent mit

Frauen besetzt, 1998 waren es erst 9,5 Prozent. Bei den Juniorprofessuren liegt der

Frauenanteil immerhin bei 30 Prozent. In den außeruniversitären Forschungseinrichtungen

stagniert der Frauenanteil hingegen: Die Leitungsaufgaben werden

nur zu 6 Prozent von Frauen wahrgenommen. Im Bereich der industriellen

Forschung sind Frauen mit knapp 10 Prozent ebenfalls stark unterrepräsentiert.

Handlungsbedarf gibt es auch im Hinblick auf die Förderung von Unternehmensgründungen

durch Frauen. Seit einigen Jahren hat sich das Gründungsklima in

Deutschland verbessert. Dennoch erfolgt bislang nur jede dritte Existenzgründung

durch Frauen. Die Selbständigenquote von Frauen ist nur halb so hoch wie

bei Männern. Zur Verbesserung der Wirtschafts- und Arbeitsmarktentwicklung

ist eine neue Kultur der unternehmerischen Selbständigkeit notwendig. Auf das

Potenzial von Frauen kann dabei nicht verzichtet werden. Auch der Förderung

von Ausgründungen aus Hochschulen kommt dabei eine wichtige Rolle zu.

II. Der Deutsche Bundestag begrüßt, dass

l die Bundesregierung die Gleichstellung von Frauen und Männern mit erheblichen

strukturellen Maßnahmen und finanziellen Anstrengungen verfolgt,

l die Bundesregierung zur Erweiterung des Berufswahlspektrums von Mädchen

und jungen Frauen eine Reihe von Maßnahmen fördert, wobei beispielhaft

hervorzuheben sind

– der Mädchen-Zukunftstag „Girls’ Day“, mit dem Mädchen für bisher frauenuntypische

Berufsfelder interessiert werden sollen,

– das „Projekt Idee-IT“, mit dem Mädchen für IT-Berufe gewonnen werden sollen,

– die Initiative „ranking-kompetenzz“ – ein Ranking der naturwissenschaftlichen

und technischen Fachbereiche an Hochschulen nach dem Frauenanteil

bei den Studienanfängern,

– „LizzyNet“, eine Internetplattform für Mädchen zum Einstieg ins Internet

und zur Übermittlung von Informationen zur Berufswahl,

– „JOBLAB“, ein Computerplanspiel für Mädchen zur Berufs- und Studienwahl,

Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 3 – Drucksache 15/5030

– „Femtec“, ein Netzwerk für Frauen in ingenieur- und naturwissenschaftlichen

Studiengängen,

– „Roberta“, ein vom Fraunhofer-Institut betreutes Programm für Roboterkurse,

mit denen vorrangig Mädchen, aber auch technikferne Jungen angesprochen

werden sollen,

l die Bundesregierung gemeinsam mit den Ländern eine Fortführung des

HWP-Fachprogramms „Chancengleichheit für Frauen in Forschung und

Lehre“ bis zum Jahr 2006 vereinbart hat,

l die Bundesregierung weiterhin das Ziel verfolgt, eine erhebliche Steigerung

des Anteils von Frauen am wissenschaftlichen Personal in Hochschulen und

Forschungseinrichtungen auf allen Hierarchieebenen zu erreichen, wobei folgende

Maßnahmen als Beispiele hervorzuheben sind

– „Anstoß zum Aufstieg“ – ein Coaching-Programm für die individuelle

Karriereplanung von Wissenschaftlerinnen,

– „Peer Mentoring“ an Forschungseinrichtungen, bei dem die Vernetzung

und gegenseitige Unterstützung vonWissenschaftlerinnen gefördert wird,

l die Bundesregierung vor dem Hintergrund des dazu ergangenen Urteils des

Bundesverfassungsgerichts umgehend Sorge dafür getragen hat, dass die notwendigen

Rechtsgrundlagen für den weiteren Ausbau der Juniorprofessur

geschaffen wurden,

l Personalmaßnahmen zur Förderung der Gleichstellung in den Forschungseinrichtungen

vorangetrieben werden; Grundlage hierfür ist die gemeinsam

von Bund und Ländern beschlossene „Ausführungsvereinbarung Gleichstellung“

zur Rahmenvereinbarung Forschungsförderung, in der u. a. die Wahl

von Gleichstellungsbeauftragten und die Absicherung ihrer Aufgabenbereiche

verbindlich vorgeschrieben werden,

l in dem von der Bund-Länder-Kommission verabschiedeten Pakt für

Forschung und Innovation mit den Forschungs- und Wissenschaftsorganisationen

verstärkte Maßnahmen zur Förderung von Frauen in Wissenschaft

und Forschung festgeschrieben sind,

l die Bundesministerien für Bildung und Forschung, für Familie, Senioren,

Frauen und Jugend sowie für Wirtschaft und Arbeit mit der gemeinsamen

Anschubfinanzierung für die bundesweite Agentur für Gründerinnen Existenzgründungen

von Frauen gezielt unterstützen,

l die Bundesregierung mit dem Investitionsprogramm „Zukunft Bildung und

Betreuung“ (IZBB) sowie mit dem Tagesbetreuungsausbaugesetz (TAG)

weitere wichtige Voraussetzungen für die Vereinbarkeit von Familie und

Beruf schafft.

III. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung im Rahmen der finanzpolitischen

Leitlinien auf, in Zusammenarbeit mit den Ländern

1. bei allen Maßnahmen zur Förderung der Geschlechtergerechtigkeit in

Wissenschaft und Forschung, an denen die Bundesregierung beteiligt ist, eine

regelmäßige Evaluierung in Hinblick auf die Annäherung an die Zielvorgaben

vorzunehmen. Die Berichte zum Gleichstellungsdurchsetzungsgesetz sollten

genutzt werden, um gegebenenfalls auch in Bezug auf die „Ausführungsvereinbarung

Gleichstellung“ weitergehende Maßnahmen zu entwickeln, die

strukturelle Veränderungen etwa im Hinblick auf die Stellung der Gleichstellungsbeauftragten

und das Angebot an Kinderbetreuung fördern,

2. die bisher nach dem Hochschulwissenschaftsprogramm (HWP) im Fachprogramm

„Chancengleichheit“ etablierten Fördermaßnahmen weiterzuentwickeln,

Drucksache 15/5030 – 4 – Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode

3. die begonnenen strukturellen Maßnahmen zur Förderung von Frauen im Bereich

Hochschulen und Forschungseinrichtungen fortzuführen und insbesondere

die Arbeit des Kompetenzzentrums für Frauen inWissenschaft und

Forschung (CEWS) zu sichern, und die Ergebnisse und Erfahrungen aus der

Arbeit des „Kompetenzzentrums Frauen in Informationsgesellschaft und

Technologie“ unter anderem mit der Implementierung von Gender-Strategien

zu nutzen,

4. darauf hinzuwirken, dass in der Jury des zukünftigen Exzellenzwettbewerbs

Frauen vertreten sind und dass Chancengleichheit als Regelkriterium bei der

Förderung von Spitzenuniversitäten und Exzellenznetzwerken berücksichtigt

wird, wie es die Bund-Länder-Vereinbarung über die Exzellenzinitiative

vom 15. November 2004 vorsieht,

5. als mittelfristige Zielvorgabe weiterhin einen Frauenanteil von mindestens

20 Prozent bei den Professuren anzustreben, und dabei modellhafte Initiativen

zu unterstützen, durch die ein Anreiz gegeben wird, Frauen gezielt zu fördern,

6. die Frauen- und Geschlechterforschung zu stärken,

7. zu prüfen, inwieweit die Entwicklung von Konzepten zur Förderung von

Doppelkarrierepaaren unterstützt werden kann,

8. und den Hochschulen darauf hinzuwirken, dass die Arbeitsbedingungen

und die Beteiligung von Frauen als ein Kriterium bei der Evaluierung von

Forschung und Lehre an Hochschulen und bei vergleichenden Rankings gewertet

werden,

9. die Maßnahmen zur Erweiterung des Berufsspektrums von Mädchen vor

allem in naturwissenschaftlichen und technischen Bereichen zu verstärken,

10. die Auswirkungen der Einführung der neuen Studienabschlüsse Bachelor

und Master auf die Studienbeteiligung von Frauen zu untersuchen; Länder

und Hochschulen sind aufgefordert, dafür Sorge zu tragen, dass die Einführung

der neuen Studienabschlüsse nicht zu einer Verschlechterung der Studienbeteiligung

und der Beschäftigungschancen von Frauen führt,

11. die Erfahrungen aus der „Internationalen Frauenuniversität Technik und Kultur“

(ifu) aufzugreifen und vor dem Hintergrund der gegenwärtigen Kompetenzregelungen

zwischen Bund und Ländern darauf aufbauende, insbesondere

auch monoedukative Projekte modellhaft zu fördern,

12. den Wechsel zwischen Positionen in Wissenschaft und Wirtschaft zu erleichtern

und mit einem Netzwerk aus Wirtschaft, Gewerkschaften, Forschungseinrichtungen,

Verbänden und Initiativen wie dem Verein „Frauen

geben Technik neue Impulse e.V.“ oder der „Initiative D 21“ die Anstrengungen

zur Gewinnung qualifizierten weiblichen Nachwuchses fürWissenschaft

und Wirtschaft zu erhöhen,

13. mit geeigneten Maßnahmen das Gründungsklima für Frauen weiter zu verbessern,

14. sich dafür einzusetzen, dass Themen der Frauen- und Geschlechterforschung

im 7. Forschungsprogramm (FRP) fortgeführt werden und dass in Umsetzung

der Gleichstellungsrichtlinie der Europäischen Union der Frauenanteil

in Spitzenpositionen in Einrichtungen der europäischen Gemeinschaftsforschung

insbesondere auch durch Benennung und Unterstützung von Kandidatinnen

erhöht wird.

Berlin, den 9. März 2005

Franz Müntefering und Fraktion

Katrin Göring-Eckardt, Krista Sager und Fraktion

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